tzetze

Das Blog von tze

Wein im Supermarkt: Der neue „Super Schoppen Shopper“ 2012-2013

keine Kommentare

Gleich mal ein Beispiel: Der vorige Jahrgang (2010) des roten Rioja „La Feria“ vom Netto Markendiscount für günstige 2,29 Euro sollte am Besten nur mit Cola vermischt getrunken werden. Sagte damals die Autorin. Die aktuelle Version (2011)  hingegen hat nun das Top-Prädikat „Super Schoppen Shopper“ bekommen: Cordula Eichs einschlägiger Supermarkt-Weinführer liegt in einer aktualisierten neuen Auflage vor. Wir haben uns das mal angesehen.

Die etablierten Weinblogger rebellieren gegen dieses Projekt: Da kommt eine junge, kluge Frau auf die Idee, knallhart die Alltagsweine zu testen, die es im Supermarkt und beim Discounter gibt. „Was nicht sein kann, darf nicht sein, und im übrigen muss eine Flasche Wein mindestens 4-5 Euro kosten“ – so ungefähr lautet das Mantra dieser Leute, für die eine 12-Euro-Flasche eher ein „günstiger Basiswein“ ist.  Doch hier geht es über Produkte, die beispielsweise nur 1,79 Euro kosten. Oder 2,39 Euro.

Ein paar grundsätzliche Argumente für den Ansatz dieses Buches hatte ich bereits anlässlich der vorigen Auflage aufgeschrieben – das sollten Sie vorab unbedingt gelesen haben. Zusammengefasst etwa so: Bei allen (prinzipbedingten) Schwächen und Ungereimtheiten ist dieser Weintest schon deshalb zu begrüßen, weil er der einzige ist, der sich flächendeckend dem Sortiment der Billigketten widmet – somit dem Segment, in dem die allermeisten Weinkäufer kaufen.

Bei dem Wort „Billigketten“ habe ich eben allerdings etwas gezögert. Denn es sind ja nicht nur Discounter getestet worden, sondern auch die so genannten „Vollsortimenter“, also Supermärkte wie Rewe oder Edeka. Diese haben eben ein „Vollsortiment“ aus Markenwaren – und zusätzlich meist ein kleines Billigsortiment aus eigenen Handelsmarken (das aber bei Wein kaum eine Rolle spielt). Und bei den Vollsortimentern wird das Konzept dieses Buches nun etwas brüchig: Anders als bei den Discountern wie Aldi und Lidl, die ein relativ überschaubares, überall gleiches Sortiment anbieten, gibt es im „richtigen“ Supermarkt im Weinregal eine kaum zu erfassende Vielfalt, die oft maßgeblich von der Bestellpolitik des Filialleiters abhängt. Anders ausgedrückt: Von den Weinen, die Cordula Eich etwa für Rewe als „Super Schoppen Shopper“ empfiehlt, ist im Regal des hiesigen „Rewe nahkauf“ kaum eine einzige Flasche aufzufinden.

Eine Ausnahme: der „Corvo Sicilia“ (4,99 Euro), der im Buch mit einem identischen Eintrag auch noch unter „Kaufland“ zu finden ist. Er bekommt vier Gläser und den „Super Schoppen Shopper“ – eine Bewertung, die ich anhand des hier verkosteten Musters für ungerechtfertigt hoch halte. Aber vielleicht hatte Cordula Eich hier einfach nur einen anderen Wein im Glas. Das Problem der großen Margen, das dazu führt, dass identisch etikettierte Flaschen oft aus verschiedenen Chargen stammen, gibt es also offenbar nicht nur beim Discounter, sondern auch bei erzeugerabgefüllten Weinen wie bei Corvo.

Anders als im Supermarkt findet man beim Discounter die Weine aus dem Buch meistens auch tatsächlich im Regal. Hier haben sich kleinere Verschiebungen in der Bewertung zum letzten Jahr ergeben. So hatte der „Dornfelder trocken“ aus Rheinhessen bei Aldi Nord (1,99 Euro)  letztes Jahr zwei Gläser, dieses Jahr deren drei – und damit das Prädikat „Super Schoppen Shopper“. Mir hat er in beiden Jahren nicht besonders geschmeckt. Den eingangs erwähnten, aufgestiegenen Rioja „La Feria“ von Netto (2,39 Euro) kann ich dagegen im neuen Jahrgang 2011 ebenfalls wärmstens empfehlen. Ein Acht-Euro-Wein aus einem spanischen Fachgeschäft schmeckt nicht besser. Die gehypte spanische Entdeckung des letzten Jahres – der „Carles Priorat Crianza 2007“ bei Lidl (5,99 Euro) hatte im Vorjahr vier Gläser und den „Super Schoppen Shopper“ und kommt mit dem Jahrgang 2008 (ebenfalls 5,99) auf „nur“ noch drei Gläser. Der Berliner Restaurantkritiker Bernd Matthies hatte festgestellt, dass „für sowas anderswo schon mal 25 Euro eingezogen werden. Oder mehr“.

Der letztjährige Weißwein-Preisknaller von Lidl, der „Chevalier de Fauvert Chardonnay“, ein Vin de Pays d’Oc aus Südfrankreich für 1,79 Euro, hatte von Cordula Eich den schönen Spruch bekommen: „Frag nicht, wie sie es machen! Kaufen, saufen, lachen! Würziger Chardonnay, fast umsonst.“ Der Wein ist auch im neuen Jahrgang bei drei Gläsern und dem „SSS“-Prädikat geblieben. Fast umsonst: Kaufen, saufen, lachen!

 

Aldi Süd (AS) hat immer schon höhere Wein-Ambitionen als Aldi Nord. Die Edition Fritz Keller, eine eigens für AS abgefüllte Serie dieses badischen Winzers, hat bei der Sorte „Grauer Burgunder“ (5,99 Euro) im Vorjahr nur zwei Gläser bekommen, dieses Mal erhält der „Weiße Burgunder“ aus der Reihe (ebenfalls 5,99 Euro) volle vier Gläser und den „Super Schoppen Shopper“. Während Cordula Eich also bei diesen als „gehoben“ vermarkteten deutschen Weinen immerhin teilweise Testmuster verkosten konnte, fehlt leider das absolute Prestigeprojekt von AS: ein Rotwein aus dem Trentino, der von AS initiiert und gezielt darauf angelegt wurde, den Widerspruch zwischen großen Mengen beim Discounter einerseits und der handwerklichen Fertigung von Winzerweinen andererseits aufzulösen: der Villa Imperiale Rosso Vigneti delle Dolomiti IGT Marchese Carlo Guerrieri Gonzaga (6,99 Euro), der von AS damit beworben wird, im quasi-amtlichen italienischen Weinführer Gambero Rosso vom Fleck weg zwei Gläser und damit eine Top-Bewertung bekommen zu haben. Das Urteil der Autorin zu diesem schweren und gehaltvollen Rotwein wäre interessant gewesen, mehr noch: Es hätte einen grundsätzlichen Beitrag zum Thema „Winzer- versus Supermarktwein“ abgeben können. Leider hat sie ihn nicht erwähnt, warum auch immer.

Fazit: Es gibt kein Fazit. Es gibt dieses Projekt, das eine Momentaufnahme des Supermarktangebots in ein jährlich erscheinendes Buch gießt. Und dieses Projekt bringt immerhin mehr Erkenntnis, als es Widerspruch stiftet.

Nur eins wünsche ich mir noch: Ich würde gern den ungarischen Gewürztraminer „Tramini“, den die Autorin schon im zweiten Jahr im Netto Markendiscount für 1,99 Euro vorgefunden hat, selbst einmal im Regal ausmachen: Immerhin sei ein Gewürztraminer „nirgends in vergleichbarer Qualität unter 7 Euro zu finden“. Gewürztraminer ist meine Lieblingsrebe. Wo finde ich den, liebe Cordula Eich? In Berliner Netto-Filialen habe ich den nämlich noch nie gesehen.

 

 

 

 

 

 

 

Geschrieben von Benedikt Hotze

13. September 2012 um 01:40

Abgelegt in Allgemein

Hinterlasse doch ein Kommentar