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Zu doof fürs Dosenpfand

2 Kommentare

Man muss kein besonders begabter Kabarettist sein, um aus dem deutschen Pfandsystem für Getränkeverpackungen absurde Funken zu schlagen. Es reicht die Betrachtung eines normalen Supermarkt-Regals. Das System sei zu kompliziert, meint nun auch Umweltminister Altmeier. Er glaubt, „die Deutschen seien zu doof fürs Dosenpfand“, schreibt der Spiegel in der heutigen Ausgabe 45/2012. Da könnte was dran sein. Doch ein Blick ins Ausland zeigt, dass das deutsche System gar nicht so doof ist, wie viele glauben machen.

Drei Flaschen Cola aus Kunststoff (PET) stehen vor mir im Regal. Die Ein-Literflasche kostet 15 Cent Pfand, weil sie als „Mehrwegflasche“ gilt, obwohl sie nur einmal gefüllt und dann geschreddert wird. Die 1,5-Literflasche kostet 25 Cent Pfand, weil sie eine Einwegflasche ist. Einwegflaschen werden ebenfalls nur einmal gefüllt und dann geschreddert. Sie werden aber nach einem Gesetz, das die Regierung Kohl mit Umweltministerin Merkel angestoßen hatte und das vom rotgrünen Umweltminister Trittin zum 1. 1. 2003 umgesetzt wurde, mit 25 Cent „zwangsbepfandet“. Damit sollen die Leute vom Kauf dieser Flaschen abgehalten werden, was augenscheinlich nicht besonders gut funktioniert. Die daneben stehende 3,001-Literflasche kostet überhaupt kein Pfand, obwohl sie eine Einwegflasche ist. Sie nutzt eine Bestimmung in der Verordnung, derzufolge Gebinde oberhalb von 3 Liter Größe vom Zwangspfand ausgenommen sind.

Der genannte Kabarettist könnte sich jetzt weiterhin lustig machen über die verschiedenen Getränkesorten und deren Pfandfolgen: Bierdosen kosten Pfand, Prosecco-Dosen nicht. Mineralwasser kostet Pfand, Sekt nicht. Orangenlimonade kostet Pfand, Orangensaft nicht. Eistee in Flaschen kostet Pfand, Eistee in Kartonverpackungen nicht. Natürlich wirkt das alles im Einzelfall absurd. Erklären lässt sich das mit der komplizierten Entstehungsgeschichte des Einwegpfands – was hier zu weit führte.

Einig sind sich alle, dass das Ziel, die Mehrwegverpackung zu stärken, nicht erreicht wurde. Vielmehr hat sich die Mehrwegquote seit Einführung des Einwegpfands halbiert (außer bei Bier, wo sie leicht anstieg). Ein Schaden für die Umwelt also auf ganzer Linie? Nein, denn meist bleibt unberücksichtigt, dass die Verbraucher die Einwegflaschen – abgesehen vom so genannten Pfandschlupf – zum größten Teil ja wieder zurückbringen. Damit können sie sortenrein recycelt werden. Das ist zwar nach Auskunft der Experten weniger umweltfreundlich, als eine Mehrwegflasche x-fach wieder zu befüllen. Aber es erscheint als die zweitbeste Lösung. Zumal wir ja schon gelernt haben, dass PET-Flaschen auch dann geschreddert werden, wenn sie Mehrwegflaschen heißen. Für Limonade und Wasser, die heute weitgehend in PET-Flaschen angeboten werden, gibt es also in Hinblick auf die Umwelt keinen Unterschied zwischen Einweg- umd Mehrwegflasche.

Bei Bier hingegen hat sich die Mehrweg-Glasflasche offenbar stabilisiert. Das kann jeder aus dem Alltag bestätigen: Wo früher an Tankstellen und Imbissbuden Bier in Dosen oder Einweg-Glasflaschen verkauft wurde, wird heute die klassische Mehrwegflasche ausgegeben. Ein Problem stellt allerdings dar, dass viele Brauereien aus Marketinggründen auf proprietäre Flaschenformate setzen, die den Sortier- und Transportaufwand deutlich erhöhen. Lediglich die Discounter haben ein neues Gebinde erfunden: Sie verkaufen ihr (Eigenmarken-)Bier in 6er-Trägern aus PET-Flaschen mit Schraubverschluss. Die Getränkedose, die dem Einwegpfand seinen Namen gab, ist hingegen glücklicherweise weitgehend verschwunden. Geöffnete Dosen lassen sich eben nicht besonders praktisch und hygienisch zum Handel zurücktransportieren.

Richtig ist, dass viele Verbraucher den Unterschied zwischen Mehr- und Einwegflaschen nicht kennen bzw. glauben, gerade wegen des Pfandes eine Mehrwegflasche zu erwerben. Hier will der Umweltminister jetzt aufklären und Einwegflaschen besonders deutlich als ökologisch nachteilig kennzeichnen. Das scheint nach dem Gesagten einigermaßen überflüssig zu sein: Bei Wasser und Limo wird sowieso nicht wiederbefüllt, und bei Bier funktioniert die Mehrwegflasche auch so.

Überhaupt: Wer seinen Urlaub in Ländern ohne jegliche Pfandsysteme macht, sehnt sich nach deutschen Zuständen. Während man in Italien und Spanien immerhin für Glas- und Kunststoff-Flaschen allerorts Sammelbehälter findet, gibt es diese in Frankreich meist nur für Glas. PET-Flaschen wandern dort in großer Zahl in den Hausmüll. Wenn das die Alternative ist, findet man das deutsche Rückgabe-System auf einmal gar nicht mehr so doof.

Geschrieben von Benedikt Hotze

5. November 2012 um 18:35

2 Kommentare zu “Zu doof fürs Dosenpfand”

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  1. Chris

    6. Nov 12 um 11:11

    So ganz ohne Probleme ist das System aber nicht. Das geringere Pfand für Bierflaschen sorgt ja gerne mal dafür, das die Teile einfach weggeworfen werden. Auch das Discounter teilweise nur Einweg annehmen (weil sie nur entsprechend verkaufen) ist mit den sog. Mehrwegflaschen (die ja eigentlich keine sind) problematisch. Ich verstehe nicht, warum nicht einfach alle (und wirklich alle) Flaschen mit 25 Cent bepfandet werden. Das sorgt dann dafür, das sie immer zurückkommen. Ähnliches habe ich in Island kennengelernt (wo auf jeder Flasche oder Dose ein entsprechendes Pfand ist) und man so die Sachen aus der Umwelt hält.

    • Benedikt Hotze

      13. Nov 12 um 01:16

      Das geringere Pfand für Bierflaschen von 15 Pfennig/8 Cent gibt es aber seit 1950.

      Aber du hast natürlich Recht: Das isländische Modell (deutliches Pfand auf alles) wäre sinnvoller. Howgh!

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