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Feindbild Ferienwohnung

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Lokalpolitiker und aufgebrachte Bürger haben in Berlin ein neues Feindbild entdeckt: „illegale Ferienwohnungen“. Diese nehmen Wohnraum weg, verteuern die Mieten und ziehen feierwütige Billigtouristen in ruhige Wohnhäuser. Ein Berliner Bezirk will jetzt konsequent gegen Ferienwohnungen vorgehen. Doch ist das angemessen? Oder auch nur Erfolg versprechend?

Natürlich kann es schon mal nerven, wenn man im eigenen Treppenhaus rund um die Uhr wildfremden Menschen begegnet, die mit Rollerkoffern poltern oder nachts betrunken klingeln, weil sie ihr Apartment nicht mehr finden. Besonders in touristisch interessanten innerstädtischen Berliner Stadtteilen wie Mitte und Prenzlauer Berg (der zum Bezirk Pankow gehört, was gleich noch von Bedeutung sein wird) hat sich in den letzten Jahren eine Sitte ausgebreitet, die für viele ansässige Bewohner ein Ärgernis darstellt: Wohnungen werden zu Ferienwohnungen umgenutzt, die hauptsächlich über Internetbörsen kurzfristig an Touristen und Berlin-Besucher vermittelt werden. Wenn es gut läuft, kann der Wohnungsinhaber damit an einem langen Wochenende so viel Geld einnehmen, wie die Wohnung für einen ganzen Monat kostet.

Die öffentliche Meinung hat sich nun auf diese Ferienwohnungen eingeschossen. Bis auf ein paar Gegenstimmen, die sofort verdächtigt werden, vom Haus- und Grundeigentümerverband zu sein, hat sich eine Art Konsens in den Foren gebildet: Ferienwohnungen sind böse und müssen weg. Der Bezirk Pankow mit einem umtriebigen grünen Baustadtrat hat jetzt sogar eine Verordnung in Kraft gesetzt, nach der Luxussanierungen ebenso verboten sind wie die Nutzung von Wohnungen als Ferienunterkünfte. Dies gilt allerdings nur in den Teilen des Stadtteils Prenzlauer Berg, für die eine Erhaltungssatzung besteht. Dazu später mehr.

Ferienwohnung: zulässige Wohnnutzung

In der Berichterstattung ist stets ohne nähere Begründung von „illegalen Ferienwohnungen“ die Rede, so hier im Tagesspiegel. Doch dieser Terminus enthält gleich zwei Begriffe, die näher zu untersuchen wären: Mit welchen Merkmalen wird eine Wohnung eigentlich zu einer Ferienwohnung? Und warum soll das illegal sein? Die Nicht-Rechtmäßigkeit wird stets vorausgesetzt, wohl weil das dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entspricht – was aber einem Beweis durch Behauptung gleichkommt.

Der Bezirk Pankow hatte eine Dauer von 28 Tagen oder weniger als Definitionsmerkmal für eine Ferienvermietung genannt, die angeblich durch die Rechtsprechung gedeckt sei. Dafür lassen sich aber keine Belege finden. Betrachten wir dagegen eine höchstrichterliche Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), so stellen wir erstaunt fest, dass eine „Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste Teil der zulässigen Wohnnutzung“ ist (BGH, Urteil vom 15.01.2010 – Az.: V ZR 72/09). Im Klartext: Auch Ferienwohnungen sind Wohnungen.

In dem BGH-Urteil ging es um eine Eigentumswohnanlage. Die Eigentümergemeinschaft hatte den eigenen Mitgliedern per Mehrheitsentscheidung verbieten wollen, ihre Eigentumswohnungen an Feriengäste zu vermieten. Der BGH hat diese Regel aufgehoben mit der Begründung, auch eine Feriennutzung entspreche dem Zweck „Wohnen“, der in der Teilungserklärung der Wohnungen festgelegt worden ist. Wir sehen: Die Rechtsprechung macht keinen Unterschied zwischen Wohnungen und Ferienwohnungen; wenn es aber keine Merkmale für Ferienwohnungen gibt, kann es logischerweise auch keine illegalen Ferienwohnungen geben.

Zugestanden: In dem Urteil ging es ausdrücklich um Eigentumswohnungen. Dennoch dürfte es eine generelle Geltung auch für Mietwohnungen haben. Denn was unterscheidet eine Eigentumswohnung von einer Mietwohnung? Auch Eigentumswohnungen können vermietet werden, auch vermietete Wohnungen haben einen Eigentümer.

Ferienwohnung: nicht gewerblich

Ein weiterer Versuch, gegen Ferienwohnungen vorzugehen, ist der Verweis auf eine Zweckentfremdung. Zwar wurde in Berlin die Zweckentfremdungsverordnung im Jahr 2001 aufgehoben unter Hinweis darauf, dass in der Stadt keine Wohnungsnot (mehr) herrsche. Bis 2001 musste eine gewerbliche oder teilgewerbliche Nutzung einer Wohnung, etwa als Rechtsanwaltskanzlei oder als Physiopraxis, eigens genehmigt werden. Daher waren „gewerbliche“ Wohnungen damals sehr begehrt und wurden auch teurer bezahlt.

Politiker planen jetzt, dieses Zweckentfremdungsverbot wieder einzuführen. Die möglichen rechtlichen Schwierigkeiten dabei sollen hier nicht weiter erörtert werden; es reicht nämlich, sich den Begriff „gewerblich“ näher anzusehen. Dieser dürfte ja wohl das zentrale Merkmal der Zweckentfremdung einer Wohnung sein. Schauen wir uns dazu wieder die Rechtsprechung an: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg urteilte, dass

„das kurzfristige Vermieten einer Wohnung in der Regel nicht über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinaus geht. Für eine gewerbliche Vermietung sind diverse, vom Vermieter zu erbringende und deutlich ins Gewicht fallende ‚Sonderleistungen‘ zu erbringen“ (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 20.1.2010, 14 K 1355/06 B).

Hier hatte jemand aus steuerlichen Gründen erreichen wollen, dass seine Vermietungstätigkeit vom Finanzamt als „gewerblich“ eingestuft wurde. Das Gericht hat das zurückgewiesen. Aus der Urteilsbegründung bei haufe.de:

„Die Vermietung der Wohnung gehe nicht über die private Vermögensverwaltung hinaus, bestätigten die Richter. Denn die gewerbliche Vermietung einer (…)  in einer Großstadt liegenden Wohnung könne nur vorliegen, wenn eine unternehmerische Organisation erforderlich ist. Dies sei etwa anzunehmen, wenn der Vermieter diverse, ins Gewicht fallende ‚Sonderleistungen‘ erbringe, die bei der Vermietung von möblierten Räumen nicht üblich sind, oder wenn ein besonders häufiger Wechsel der Mieter eine einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb (Hotel, Fremdenpension) vergleichbare, unternehmerische Organisation erfordere.

Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, wenn der Steuerpflichtige eine einzige, möblierte Stadtwohnung (…) vermiete (…) und nur typischerweise von einem privaten Zimmervermieter angebotene Leistungen, z. B. Zurverfügungstellung von Bettwäsche, Handtüchern, (…) Durchführung einer Endreinigung etc., nicht aber Sonderleistungen wie ein täglicher Zimmerservice, ein Frühstücksangebot oder die Bereithaltung von jederzeit ansprechbarem Personal erbracht werden.“

Im Klartext: Ferienwohnungen sind normalerweise nicht gewerblich. Man muss schon einen durchorganisierten, hotelähnlichen Beherbergungsbetrieb führen, um seine Ferienwohnung als „gewerblich“ eingestuft zu bekommen. Somit taugt also auch eine eventuelle Zweckentfremdungsverordnung nicht als Instrument gegen „Ferienwohnungen“.

Illegal wegen Steuerhinterziehung?

Einige Diskutanten werten die Vermietung von Ferienwohnungen schon deshalb als illegal, weil die Vermieter von den Erlösen regelmäßig keine Steuern abführten. Dies ist am leichtesten zu entkräften, weil es eine pauschale und unbelegte Unterstellung ist. Selbstverständlich kann und muss ein Vermieter seine „Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung“ bei der Einkommensteuererklärung angeben. Das Finanzamt wird dafür aber keinen Gewerbeschein und keine baurechtliche Genehmigung sehen wollen.

Erhaltungssatzung

Der Bezirk Pankow versucht es über die Erhaltungssatzung, einem Instrument des so genannten „Besonderen Städtebaurechts“. Demnach können Kommunen  bestimmte Gebiete ausweisen, in denen Baugenehmigungen gewährt oder versagt werden können, je nachdem, ob sie bestimmmten städtebaulichen Zielen dienen oder nicht. Einer dieser Zwecke kann die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung sein. Der Bezirk Pankow glaubt offenbar, durch die zum 1. Januar 2013 erfolgte Änderung der bestehenden Erhaltungssatzung auch Einfluss auf Ferienwohnungen nehmen zu können. Nach dem oben Dargelegten (es gibt nicht mal eine rechtssichere Definition für Ferienwohnungen) erscheint dies wenig praktikabel. Ein Vorbild für andere Stadtteile kann dieses Verfahren auch nur bedingt sein, weil die Gebiete, in denen Erhaltungssatzungen gelten sollen, in formalisierten und langwierigen Verfahren festgelegt werden müssen.

Nicht mal ein halbes Prozent der Wohnungen

Die Wohnungssituation in Berlin ist neuerdings angespannt. Man erwartet einen Zuzug von 350.000 Menschen in den nächsten zehn Jahren, der Wohnungsbau liegt dennoch weiterhin am Boden. Ist es vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll, „Ferienwohnungen“ zu verbieten? Schauen wir uns die Zahlen an. Im Bezirk Pankow rechnet der Baustadtrat mit 1.500 „Ferienwohnungen“; in ganz Berlin werden zwischen 2.500 und 25.000 geschätzt. Der Interessenverband Berliner Privatvermieter (IVBP e.V.) hat ein Interesse, die Zahlen gering zu halten; er geht von „2.500 bis 3.500 aktiv vermieteten Ferienwohnungen in ganz Berlin“ aus. Die Berliner Mietergemeinschaft e.V., die ein Interesse daran hat, die Anzahl als bedrohlich hoch darzustellen, kommt für 2011 auf eine Anzahl von 12.000 Ferienwohnungen, was der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga begeistert aufnimmt und in seine Website einbindet (Download PDF), während der Dehoga selbst völlig unbelegt von 12.000 bis 25.000 Ferienwohnungen spricht. Wo die Wahrheit liegt, kann hier nicht entschieden werden. Gehen wir für ein Rechenbeispiel von 7.500 Wohnungen aus. Angesichts der Zahl von 1.887.516 Berliner Wohnungen (Stand: 2008, Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, zitiert nach wohnungsanwalt.de), handelt es sich dabei also um gerade mal 0,45% der Berliner Wohnungen, also weniger als ein halbes Prozent. Das kann keinen messbaren Einfluss auf die Berliner Wohnungssituation haben.

Populistischer Aktionismus

Dagegen sind private Ferienwohnungen für viele Berlin-Besucher genau das, was sie suchen. Der Tagesspiegel brachte einen Tag nach der undifferenzierten Berichterstattung über „illegale Ferienwohnungen“ den Bericht einer Besucherin, die sich in Ferienwohnungen wohler fühlt als in Hotels:

Im Hotel ist man Gast auf Zeit, dessen ist man sich stets bewusst. Ein Apartment dagegen ist ein Zuhause auf Zeit, eine schöne Simulation von Vertrautheit in der Fremde.

Fazit: Ferienwohnungen sind nicht illegal, und sie sind keine gewerbliche Zweckentfremdung. Sie sind nicht einmal definierbar. Sie machen den Besuchern der Stadt aber ein Angebot, das offenbar gezielt nachgefragt wird. Wer in Berlin gegen „Ferienwohnungen“ vorgeht, betreibt populistischen Aktionismus.

1 Kommentar zu “Feindbild Ferienwohnung”

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  1. Carole Fischer

    9. Aug 13 um 16:36

    Hallo,

    Sehr guter Beitrag und der Autor hat Recht. Nur: Politiker gerade der SPD backen sich ein Ei auf die Realitaet und wollen Symbolpolitik machen.. auf anderer Kosten. (Wollen sie von ihren Hartz 4 Gesetzen ablenken, haben sie ein schlechtes Gewissen?)

    In Hamburg wird einfach behauptet vom Senat, dass Touristen nicht in der Wohnung „wohnen“. Reine Willkuer und im offenen Widerspruch zu der BGH-Entscheidung aus 2010.

    Ein Fewo-Vermieter aus Hamburg hatte Verfassungsbeschwerde eingereicht, jedoch nahm das BVG diese Beschwerde erst gar nicht an.

    Quelle: http://www.hamburg-wohnung.info

    Gruss

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