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Eine „Bauhaus“-Architektur gibt es nicht

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Immer öfter stößt man auf den Begriff „Bauhaus-Stil“ – oder auch „Bauhaus-Architektur“ – er wird jedenfalls verwendet, wenn Makler, Journalisten oder auch Architekten eine irgendwie kubisch, weiß und schnörkellos wirkende Architektur benennen wollen. Doch auf das historische Bauhaus kann sich eine solche Begrifflichkeit nicht stützen: Es gab nämlich nie einen „Bauhausstil“.

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Das Bauhausgebäude in Dessau von Walter Gropius, 1925/26. Foto 2013

 

Die Avantgarde-Architekten der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts wollten mehrheitlich keinen neuen „Stil“ schaffen – wandten sie sich doch vielmehr genau gegen die „Neo“-Stile des 19. Jahrhunderts. Doch schon früh wurde ihr „stilloses“ Schaffen mit neuen Etiketten versehen.

Das berühmteste darunter ist der „Internationale Stil“, eine Wortschöpfung von Henry-Russell Hitchcock und Philip Johnson, die 1932 die berühmte Ausstellung „The International Style“ im New Yorker MoMA kuratiert hatten, in der sie internationale Beispiele eben jener schnörkellosen, kubischen und (vermeintlich) weißen Architektur in Europa zusammengetragen haben.

Der Begriff vom Internationalen Stil wurde im angloamerikanischen Sprachraum populärer als in Kontinentaleuropa. In Deutschland sprach man gerne vom „Neuen Bauen„, so zum Beispiel ein Buchtitel von Norbert Huse von 1975, obwohl diese Wortmarke eine Schöpfung des Architekten Hugo Häring ist, der seine eher organisch geformte Architektur als „neues bauen“ vermarktete. Der Begriff passt also kaum als pars pro toto für die genannten Merkmale.

Einigermaßen populär wurde der Begriff des „Funktionalismus„, der darauf abhob, dass bei dieser Architektur die Form das Resultat nicht des „Kunstwollens“ seines Architekten ist, sondern sich vielmehr quasi automatisch aus der Funktion ergibt – eine Überbetonung eines Aspekts, die den Begriff ebenfalls problematisch erscheinen lässt.

Ganz gut geeignet erscheint hingegen der Begriff der „Neuen Sachlichkeit“ – schon deswegen, weil er sehr anschaulich ist: Das „neu“ verweist auf den Neuigkeitswert dieser Architektur (in ihrer Zeit), und die „Sachlichkeit“ impliziert durchaus die genannten stilistischen Merkmale. Historisch ist die „Neue Sachlichkeit“ in Abgrenzug zum Expressionismus aufgekommen.

Doch statt diese Begriffe zu verwenden, hört man immer öfter vom „Bauhausstil“. Sofern man den Begriff „Bauhaus“ nicht gerade als Name einer Baumarktkette missversteht, wird damit also Bezug auf das historische Bauhaus genommen, das von 1919 bis 1933 in Weimar, Dessau und Berlin als Kunst-, Design- und (ab 1927 auch) Architekturschule existierte.

Wer sich mit dem Bauhaus beschäftigt, wird schnell erkennen, dass an dieser Schule kein einheitlicher „Stil“ gelehrt wurde. Somit müsste also erst definiert werden, welche Architektur denn überhaupt „stilbildend“ sein soll im Sinne eines solchen Begriffs. Die Architektur der Bauhaus-Lehrer? Wenn ja: Alle ihre Werke, oder nur solche, die während der Existenz des historischen Bauhauses entstanden sind? Was ist mit Werken von Bauhaus-Schülern? Gelten da auch solche Werke, die lange nach der Existenz der Schule in den Nachkriegsjahrzehnten entstanden sind? Zugespitzt: Sind also auch die Zuckerbäckereien eines Richard Paulick an der Stalinallee „Bauhausbauten“?

Wie eng oder weit man auch immer den Kreis schließt, man kommt nie umhin festzustellen, dass es keine einheitliche Ausprägung der Architektur aus dem Umfeld des Bauhauses gibt.

Die Bauten, die Walter Gropius 1925/26 für den neuen Standort des Bauhauses in Dessau schuf – also Meisterhäuser und das Bauhaus selbst –, kommen sicher der eingangs erwähnten Architekturanmutung am nächsten: Kubische Flachdachbauten, im Außenbau weitgehend weiß, Bandfenster, große Glasflächen, solitärer Städtebau – so ungefähr stellt man sich landläufig „Bauhaus-Architektur vor – und Gropius, der ein begnadeter Propagandist seiner selbst war, hat dagegen natürlich nichts unternommen. Aber  „zwischen dem esoterischen Expressionismus eines Johannes Itten, der weißen Moderne von Gropius und der schwarzen Eleganz von Mies van der Rohe liegen geistige und ästhetische Welten“,  schrieb Ulf Meyer 2001 zutreffend im Vorwort zu einem Buch, das merkwürdigerweise den Titel „Bauhaus-Architektur“ trägt. Titel des Vorworts: „Eine Bauhaus-Architektur gibt es nicht“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Anmerkungen 2022:

Dem Kunsthistoriker Jürgen Tietz verdanke ich den Hinweis, dass der Begriff „Neue Sachlichkeit“ für ein begrenztes Phänomen in der Kunst steht und sich daher nicht unbedingt als „Stilbegriff“ für eine weitgefasste Architekturausprägung eignet.

Dem Publizisten Falk Jaeger verdanke ich den Hinweis, dass der Begriff „Bauhaus-Stil“ inzwischen in der Wissenschaft anerkannt sei. In dem von ihm als Referenz dazu genannten Buch „Bauhaus-Stil. Zwischen International Style und Lifestyle„, das ich mir dazu eigens antiquarisch besorgt habe (danke, jovis Verlag!) habe ich allerdings in keinem der Aufsätze eine entsprechende Bestätigung gefunden.

Die Urheberschaft von Walter Gropius an den Bauhausbauten in Dessau darf inzwischen in Zweifel gezogen werden, vgl. Bernd Polster, „Walter Gropius. Der Architekt seines Ruhms“. Demnach sind diese Bauten maßgeblich von Gropius‘ Mitarbeiter Carl Fieger entworfen worden.

Geschrieben von Benedikt Hotze

13. Mai 2013 um 19:13

Abgelegt in Allgemein,Architektur

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