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„Mit dem Torso von Groß St. Martin“: Kölner Kirchen 1955/56

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Mein Vater, der Jurist Bruno Hotze aus Essen, hat im Wintersemester 1955/56 für ein halbes Jahr in Köln studiert. In der Freizeit hat der damals 22-Jährige seinen Studienort fotografiert. Einige Bilder davon sind an seinem gestrigen 80. Geburtstag im Familienarchiv wieder zutage getreten – historische Dokumente von bedeutenden Kirchen im Wiederaufbau.

700_gross_st_martinBruno Hotze hat mit seiner zweiäugigen Rolleicord 6×6-Negative belichtet und sie beim Händler auf 9×9- oder 6×9-Fotopapier vergrößern lassen. Diese Vergrößerungen habe ich mit 600 dpi gescannt und für die Veröffentlichung hier auf 700 Pixel Breite herunterskaliert. Die Schwarzweiß- Negative sind noch vorhanden.

Dieses Bild hat der Fotograf handschriftlich so bezeichnet: „Malerische Partie im alten Köln, unweit des Rheins, mit dem Torso von Groß St. Martin„. Tatsächlich war die spätromanische ehemalige Klosterkirche bis auf die Langhauswände und den rheinischen Kleeblattchor („Trikonos“) vollständig zerstört worden. Wegen der Bedeutung für die Stadtsilhouette wurde zuerst der mächtige Vierungsturm wiederaufgebaut (bis 1963), und erst 1984 konnte die vollständige Wiederherstellung auch des Langhauses der Kirche gefeiert werden (Architekt: Joachim Schürmann). Rechts im Bild der Dom, der wie durch ein Wunder der fast totalen Kriegszerstörung ringsum weitgehend entgangen ist.

700_kolumba

In den Trümmern der nicht wieder aufgebauten spätgotischen Pfarrkirche St. Kolumba war eine Madonnenfigur an einem Pfeiler erhalten geblieben. Bereits 1950 hat der Architekt Gottfried Böhm darum herum die Kapelle „Madonna in den Trümmern“ errichtet, die 1956 nach Norden hin erweitert wurde (das erklärt wohl den Baukran auf dem Bild). Bereits Böhm hatte eine Überbauung der Ruine von St. Kolumba vorgesehen; eine solche erfolgte schließlich 2003-07 durch den Architekten Peter Zumthor, der hier – unter Einbezug von Böhms Kapelle – das Diözesanmuseum „Kolumba“ baute.

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Die prächtige Dreikonchenanlage der ehemaligen Stiftskirche St. Aposteln ist mit ihren Zwickeltürmen und ihrer byzantinisch anmutenden Laterne über der Vierung für die Fernsicht entworfen worden. Der Wiederaufbau erfolgte originalgetreu und war 1955/56 augenscheinlich am Außenbau bereits weitgehend abgeschlossen.

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Die mächtigen Chorflankentürme von St. Kunibert bilden zum Rhein nach Osten hin eine eindrucksvolle „Fassade“. Der hier links im Bild fehlende „Westbau“ mit Turm wurde erst in den achtziger Jahren bis 1993 rekonstruiert.

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Das Westwerk von St. Pantaleon, errichtet kurz vor dem Jahr 1000, gilt als bedeutendster ottonischer Bau. Im 18. Jahrhundert war es barockisiert worden, im 19. wurde es „re-romanisiert“. Nach dem Krieg nutzte man eine teilweise Kriegszerstörung, um im Inneren ein barockes Gewölbe durch eine „ottonische“, flache Kassettendecke zu ersetzen.

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Chor- und Chorflankentürme von St. Gereon sind rheinisch-spätromanisch, aber der bedeutendste Bauteil ist ein ovales Dekagon aus spätrömischer Zeit (um 350). Im Krieg wurde es an einer Stelle bis zum Boden aufgerissen. Auf dem Bild von 1955/56 ist es eingerüstet.

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1953/54 errichtete der Architekt Rudolf Schwarz die Kirche St. Joseph in Köln-Braunsfeld, nachdem der 1906 errichtete Vorgängerbau 1944 zerstört wurde. Das Interesse von Bruno Hotze richtete sich also auch auf die moderne Architektur.

Nachtrag: Mein Vater Bruno Hotze ist am 28. April 2014 im Alter von 80 Jahren in Soest gestorben.

Geschrieben von Benedikt Hotze

5. Oktober 2013 um 18:03

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