„Die Ticks kommen, wann sie wollen, und nicht, wenn man sie braucht“ – das sagt die patente 17-jährige Eva (Jasna Fritzi Bauer), Hauptfigur in dem Fernsehfilm „Ein Tick anders“ von 2010. Eva hat das Tourette-Syndrom, oder auch „Koprolalie“: Sie muss zwanghaft üble Schimpfworte ausstoßen. Der Film besticht nicht nur durch seine sympathische Hauptfigur und die erfrischende Story, sondern auch durch seine ungewöhnliche Architektur-Affinität. Ein paar Screenshots als Zitate…
Hier ist Eva zuhause: Der 30er-Jahre-Bau mit leichtem Kreissegmentbogen über der Tür wird immer wieder gezeigt
Die Szene auf dem Garagenhof ist richtig aufwändig mit einer Kamera auf einem Steiger gedreht worden
Im Reifenlager sucht Eva eine Job – natürlich vergeblich, weil sie mit „Heil Hitler“ reinkommt. Die Inszenierung der Reifenstapel hat etwas explizit Architektonisches
Ein Industrie-Lagerhaus gibt den Hintergrund für Evas Zusammenbruch ab
In diesem UFO von Schulturnhalle singt Eva ein Lied bei einem Casting-Wettbewerb vor. Es geht um Licht, das, Verzeihung, aus dem Arsch scheint
Evas Onkel Bernie, der ewig erfolglose Gitarrist, fährt immerhin ein stilvolles Auto: einen Mercedes der Baureihe W 108
Hinter dem Bungalow des Bösewichts erhebt sich ein 60er-Jahre-Kirchturm
Evas täglicher Weg von ihrer Wohnung in ihren Rückzugsort Wald führt stets über diese Fachwerkträger-Brücke…
… oder ebenerdig übers Gleis
Selbst die Müllcontainer sind architektonisch inszeniert – Onkel Bernie schmeißt gerade seine Stratocaster weg
Am Ende ist auch Evas kaufsüchtige Mutter („…aber irgendwas müssen wir doch kaufen!“) geheilt und schmeißt ihren Fernseher in Berlin aus dem Fenster (kleiner Ausstattungsmangel: Das ist nicht Berlin)
Und Evas Papa gründet zum Schluss eine eigene Firma, irgendwas mit Currywurst und Pommes. Als Firmensitz sehen wir das Rathaus in Marl, 1960–67 von Van den Broek und Bakema errichtet. Sympathischer Nonsens in einem Film mit überdurchschnittlichem Bezug zu Stadtraum und Architektur…
“Ein Tick anders”, 2010, Regie: Andi Rogenhagen, Szenenbild: Peter Menne, produziert von Wüste Film GmbH für NDR und arte