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An der Mosel: Unterwegs mit dem „Dehio“ von 1972

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Das auf Georg Dehio zurückgehende „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler“ genießt einen quasi-amtlichen Status. Schade nur, dass es für einige Bundesländer noch nicht in den Genuss einer Neubearbeitung gekommen ist. In Rheinland-Pfalz und dem Saarland muss man bis heute auf eine Auflage von 1972 zurückgreifen. Darin fehlt viel. Reisenotizen von der Mosel…

In Traben-Trarbach ist nicht nur der Riesling in Steillage zuhause, sondern auch das Buddha-Museum. Buddha wäre vielleicht nicht unbedingt eine Erwähnung im „Dehio“ wert, das Gebäude von 1905/06 aber schon: Es stammt von dem bedeutenden Berliner Jugendstil-Architekten Bruno Möhring und besetzt eine prominente Position am Moselufer des Stadtteils Trarbach – sofort auffällig für jeden Besucher der Stadt. Doch im „Dehio Rheinland Pfalz/Saarland“ ist es nicht enthalten, ebensowenig wie der ebenso auffällige Trarbacher Brückenkopf „Moseltor“ desselben Architekten. Kein Wunder: Die aktuellste Ausgabe des Handbuchs für diese Bundesländer stammt von 1972. Eine Neuauflage ist laut Verlag „in Vorbereitung„.

Der „Dehio“, der formal von einer Vereinigung herausgegeben wird und im Deutschen Kunstverlag erscheint, hat eine quasi-amtliche Funktion und wird mit erheblicher personeller und ideeller Unterstützung der Landes-Denkmalämter herausgegeben. Die Erstauflage aus dem frühen 20. Jahrhundert, die der bedeutende Kunsthistoriker und Denkmaltheoretiker Georg Dehio noch selbst besorgt hat, wurde nach dem Krieg in der Bundesrepublik – und auch teilweise in der DDR – erheblich erweitert neu herausgegeben. Dennoch spiegeln diese Nachkriegsausgaben einen eingeschränkten Denkmalbegriff wider, der sich hauptsächlich auf „alte“ Kunst der Zeit bis zum Historismus des 19. Jahrhunderts stützt. Bis heute sind die ortsalphabetischen Artikel nach der Hierarchie Sakralbauten, Burgen und Schlösser und schließlich Profanbauten organisiert.

Die Neuberarbeitungen, die seit den 1990er  Jahren erschienen sind, transportieren aber einen erheblich erweiterten Denkmalbegriff. Nun werden auch Bauten der Industrialisierung und der Moderne gewürdigt. Allerdings (noch) nicht an der Mosel.

In Pünderich, oder genauer: am gegenüberliegenden Moselufer von Pünderich, steht ein Hangviadukt der „Kanonenbahn“, der heutigen Hauptstrecke Koblenz-Trier, die angeblich entscheidend half, den deutsch-französichen Krieg 1870/71 zu „gewinnen“. Das Hangviadukt ist ebensowenig im 1972er-„Dehio“ erwähnt wie die eindrucksvolle zweietagige Straßen- und Eisenbahnbrücke in Bullay der selben Bahnstrecke.

Und schließlich Cochem: Am „anderen“ Ende der örtlichen Moselbrücke steht eine auffällige moderne Kirche im konservativen Naturstein-Kleid, die von ihrem Architekten Emil Steffan städtebaulich bewusst als Kontrapunkt zur historistischen Cochemer „Reichsburg“ von Raschdorff inszeniert wurde. Im „Dehio“ kein Wort darüber, lediglich die Notiz, dass die alte Kirche von Cochem-Cond demnächst abgerissen werde. Tatsächlich wurde das baufällige (und unbedeutende) Schiff aus dem frühen 18. Jahrhundert abgerissen; der romanische Turm hingegen blieb erhalten und wird heute als Attraktion von Cond vermarktet. Die neue Kirche hat Steffan nach Vorentwurf von 1955 für ein anderes Grundstück dann im Jahre 1964 an die liturgischen Vorgaben des 2. Vatikanums angepasst; die Ausführungsplanung der 1964-68 errichteten Kirche übernahm sein ehemaliger Mitarbeiter Heinz Bienefeld. Zwei bedeutende (Kirchenbau-)Architekten aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an einer Kirche! Es bleibt das Desiderat, dass die Neubearbeitung des Dehio bald kommt und all diese Dinge dann natürlich auch weiß.

Geschrieben von Benedikt Hotze

7. August 2017 um 22:31

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