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Spiegel Boulevard TV

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In einem Zeitungskommentar über das ZDF las ich vor wenigen Tagen die wohl wahre Beobachtung, dass viele jüngere Menschen diesen Sender gar nicht kennten. Damit wurde auf das Kukident-Image des ZDF und seines Programms angespielt, das die jüngere Zielgruppe wohl scharenweise zu den Angeboten der Privatsender treibe.

Ich gebe zu, dass ich es umgekehrt halte: Für mich ist die Welt der privaten Fernsehsender eine fremde, die ich ohne Not schon seit Jahren nicht mehr betrete. Nicht nur, dass hier die Sendungen permanent durch schreiende Werbung (und Eigenwerbung) unterbrochen werden; mir ist auch die Zeit  für ein  „Programm“ zu schade, das ausschließlich auf Massenwirksamkeit und Quote zielend produziert bzw. eingekauft wird.

Das war nicht immer so; zu Anfangszeiten des Privatfernsehens habe ich durchaus die eine oder andere Sendung gern gesehen: Talk im Turm mit Erich Böhme (und Sandra Maischberger) war so ein Fall. Und natürlich Spiegel TV, damals von und mit Stefan Aust. Das war innovativer TV-Journalismus, meinungsstark, investigativ, schnell. Nicht von ungefähr, dass ausgerechnet Spiegel TV (und niemand sonst) mit der Kamera vor Ort war, als am Grenzübergang Bornholmer Straße der Schlagbaum geöffnet wurde – an jenem 9. November 1989. Die DDR-Korrespondenten des „etablierten“ West-Fersehens hockten derweil in der Lobby eines Ost-Berliner Devisenhotels herum und glaubten, damit nahe genug am Geschehen zu sein. Was für ein Fehler!

Damals wie heute verdanken Sendungen wie Spiegel TV ihre Existenz im privaten Fernsehen nicht etwa der Einsicht der Macher dieser Sender. Es gibt vielmehr eine staatliche Auflage, mit der die Privatsender gezwungen sind, so genannte „Fremdfenster“ für seriöse Informations- und Kulturprogramme freizuhalten. Ich hatte gestern die Gelegenheit, nach vielen Jahren Abstinenz mal wieder eine in diesem Zusammenhang entstandene Folge von Spiegel TV auf RTL zu sehen. Das Ergebnis war allerdings – verheerend.

Da gibt es einen Beitrag über einen „Mietnomanden“. Was durchaus aufklärerisches Potenzial hätte haben können, wurde zum peinlichen Pranger: Ein älterer Herr, der von „Mängeln“ und „Mietminderung“ sprach, wurde zum „Bösen“ stilisiert, eine ältere Dame dagegen als geprellte Vermieterin aufgebaut. Ein alltäglicher Mietrechtsstreit, bei dem der Zuschauer gar keine Chance hatte, die wahren Zusammenhänge zu durchschauen. Diese wären auch gesellschaftlich und politisch ohne jede Relevanz gewesen. Statt dessen wurde der „Böse“ von Spiegel TV mit der Kamera gejagt, auf der Straße wie auf dem Gerichtsflur. Ein Interesse der Öffentlichkeit an der „Aufklärung“ dieses Falles war weit und breit nicht zu erkennen. Das hier war ja nicht Honecker in Wandlitz oder Guttenberg in Kundus, das war ein namenloser Mitbürger, der sich nicht wehren konnte. Was wir hier sahen, war Boulevard in Reinform: Emotionen ersetzen Fakten, Menschen werden gnadenlos vorgeführt.

Wer das für einen Ausrutscher hielt, bekam im nächsten Beitrag irgendwelche Wünschelruten vorgeführt. Investigativer Journalismus? Politische Relevanz?  Das sieht anders aus, liebes Spiegel TV.

Ich war jedenfalls dankbar für diesen Einblick ins Privatfernsehen, auch wenn er meine Vorurteile bestätigt hat: Auch die „Fremdfenster“ im Kommerz-TV haben sich inzwischen also im Niveau nach unten angepasst, so wie es die öffentlich-rechtlichen Sender unter dem unsinnigen Quotendruck seit Jahren ebenfalls tun. Aber das ist eine andere Geschichte. In der dann wieder das ZDF vorkommt.

Geschrieben von Benedikt Hotze

14. Dezember 2009 um 16:20

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