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Das gute Buch von 1970: Berlin und seine Bauten Teil IV Wohnungsbau Band A

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Ein unscheinbares Buch von 1970 ist der absolute Star in meinem Bücherschrank: Es enthält in geradezu unfassbarer Detailganauigkeit Infos über alle baugeschichtlich relevanten Wohnungsbauten und Siedlungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin. Da kommt kein  Online-Angebot mit…

Als ich 1993 meine erste Stelle als Redakteur der Bauwelt in Berlin antrat (wie altmodisch klingt dieser Satz heute!), da erbte ich nicht nur einen Schreibtisch und einen untauglichen MS-DOS-Rechner, sondern auch ein Bücherregal. Den Rechner konnte ich damals flugs durch einen Mac LC II („Pizzaschachtel“) ersetzen, die Bücher blieben. Mein Vorgänger Wolfgang Braatz, von dem ich seitdem nie wieder etwas gehört habe, hinterließ mir unter anderem ein unscheinbares Buch in einer zerlesenen Paperback-Ausgabe: „Berlin und seine Bauten Teil IV Wohnungsbau Band A. Die Voraussetzungen. Die Entwicklung der Wohngebiete“, erschienen beim Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn im Jahr 1970.

Das Ding ist ein echter Kracher und seit langem eines meine Lieblingsbücher. In der einschlägigen Reihe „BusB“ des Architekten- und Ingenieurvereins (AIV) erschienen, bietet dieser Band einen Überblick des modernen Siedlungs- und Wohnungsbaugeschehens in Berlin nach der Gründerzeit. Offenbar unter akribischer Auswertung von Bauakten wird hier in einer fast unfassbaren Genauigkeit alles zwischen 1886 und 1967 dargestellt, was in Berlin im Siedlungs- und Wohnungsbau diesseits des Historismus stattgefunden hat. Da das im Westen erschienene Buch einen Gesamtberliner Anspruch hat, sind zumindest für die Zeit vor 1945 alle Bezirke berücksichtigt. Der Band konzentriert sich auf Geschosswohnungsbauten und Siedlungen; ein eigener Band zu individuell geplanten Einfamilienhäusern (an dem Julius Posener maßgeblich mitgewirkt hatte), erschien 1975 (heute antiquarisch nicht unter 400 € zu haben).

Zurück zu den Wohngebieten: Die hinführenden Aufsätze im vorderen Teil sind im Duktus der Machbarkeitseuphorie der Spätmoderne gehalten, aber der Katalogteil, der nach Bezirken und Epochen eingeteilt ist, ist die eigentliche Faktensammlung. Das Ganze ist so weit heruntergebrochen, dass auch kleinere und kleinste Ensembles berücksichtigt sind. In den eigens hierfür gezeichneten Lageplänen sind alle Bauten mit kleinen Kennziffern und -buchstaben markiert, die in einem nebenstehenden tabellarischen Teil aufgelöst werden, sodass für jedes Gebäude eine genaue Zuordnung von Architekt und Baujahr erfolgt.

Das längst vergriffene Buch ist auch antiquarisch kaum zu bekommen. Umso größer meine Freude, diesen Schatz zu besitzen. Meinem Vorgänger bei der Bauwelt sage ich hiermit spät, aber von Herzen: Danke!

Geschrieben von Benedikt Hotze

22. März 2022 um 19:05

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