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Buchrezension: Technophoria von Niklas Maak

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In seinem Roman „Technophoria“ zieht der Kunst- und Architekturkritiker Niklas Maak die Verheißungen einer schönen neuen Digitalwelt durch den Kakao.

„Leider ist unser Kontingent an Rezensionsexemplaren bereits verbraucht, gerne können wir Ihnen aber ein kostenloses E-Book zukommen lassen.“ Mit diesem Textbaustein reagierte der Hanser-Verlag prompt auf das Ansinnen, Niklas Maaks neues Buch zu besprechen. Also gut, lesen wir es eben als E-Book.

Der Rezensent hält sich nicht unbedingt für einen digitalen Analphabeten, aber ein belletristisches E-Book hat er tatsächlich bislang noch nicht genutzt. Eine Koinzidenz des Zufalls, dass ausgerechnet dies der persönlicher E-Book-Erstling werden sollte, denn die offenbar noch nicht bewältigten Kinderkrankheiten der digitalen Buch-Lektüre (Silbentrennungen? Blocksatz? Seitenzählung?) korrespondieren in schöner Parallelität mit den im Buchtext genüsslich ad absurdum getriebenen Ungereimtheiten der digitalen Weltbemächtigung, die unter Schlagworten wie „Smart City“, „Autonomes Fahren“ oder „Künstliche Intelligenz“ von interessierten Kreisen vorangetrieben werden.

Die Rahmenhandlung von der geplanten gigantischen Flutung einer ägyptischen Talsenke ist dabei kaum mehr als das, was man in Gangsterfilmen „MacGuffin“ nennt: irgendein wichtiger Gegenstand, auf den alle Gangster scharf sind. Ob Goldschatz, geheime Baupläne oder teure Juwelen, ist für den Plot eigentlich egal.

Der MacGuffin dieses Buches, eben jene ägyptische Flutung, wird in einer Pre-Title-Sequenz aus den siebziger Jahren schon mal kurz vorgestellt: Mit wenigen, sicheren Strichen skizziert der Autor da ein typisches Zeitkolorit, das von Bundeskanzler Schmidt bis zu den Velourspolstern der zeitgenössischen Kraftfahrzeugmode reicht.

Was damals – leider, leider – politisch verworfen werden musste, wird heute als zwingend geboten dargestellt – von privatwirtschaftlichen Protagonisten, die mit ihrer am Silicon Valley geschulten Weltverbesserungs-Unerbittlichkeit Ziele wie Klimaschutz, sozialen Fortschritt und Volksgesundheit mit einem digitalen Überwachungsstaat durchsetzen wollen.

Die von Niklas Maak pointensicher dargereichte Anekdotensammlung aus der digitalen Gegenwart verweist mehr als einmal auf die „Schöne Neue Welt“, die Aldous Huxley 1932 als Dystopie entworfen hatte. Tatsächlich wird bei Maak zwischen Gegenwart und Zukunft nicht unterschieden: Juckepunkte der heute allgegenwärtigen privaten Smartphone-Daddelei oder der Netznutzung im Büro werden genauso durch den Kakao gezogen wie die gesellschaftlichen Monstrositäten, die wir in der hier vorweggenommenen schönen neuen Zukunft zu gewärtigen haben.

Allerdings ermüdet im Laufe der Lektüre der enzyklopädische Vollständigkeitsanspruch, wenn dann auch noch die letzten Habitate von Gorillas, die dem Abbau der seltenen Erden für die digitale Hardware weichen müssen, durchdekliniert werden. Dem eh kaum vorhandenen Spannungsbogen tun solche weltmännisch gefärbten Pseudoreportagen von exotischen Schauplätzen jedenfalls nicht unbedingt gut.

Dieser Roman ist letztlich ein tech-pessimistischer Essay, der die Probleme unterhaltsam anreißt,  ohne allerdings die Ebene analytischer Schärfe zu erklimmen.

Geschrieben von Benedikt Hotze

1. August 2020 um 22:11

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