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BCH dreht auf – Vier Bücher des emeritierten Architektur-Redakteurs Wolfgang Bachmann

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Willkommen auf der Medienseite! Zu berichten ist von einem langjährigen Architektur-Redakteur, der im Ruhestand literarisch aufdreht: Auf Veranlassung des Autors erreichten uns vier Bücher von Wolfgang Bachmann in vier Verlagen. Da geht es um Umbrüche in der Medienbranche, um die Identitätskrise eines alternden Feuilletonisten, um die fiktive Verbindung eines Bauträgers zum Rotlichtmilieu und schließlich um Beobachtungen unter freiem Himmel. Eine Vierfach-Rezension

Wolfgang Bachmann mit seinem markanten Autorenkürzel „BCH“ haben sie bei den Architekturblättern Bauwelt und Baumeister einst als Edelfeder verehrt. Nun, im Ruhestand, verarbeitet er in „Alles Geier“ seine Erfahrungen aus der Verlagsbranche, die seit Jahren von einbrechenden Erlösen aus Abonnements und Anzeigen geprägt ist. Die fiktive Handlung des als „Farce“ positionierten Buches mündet in ein beklopptes mehrtägiges Motivationsseminar, das der Verlag durch externe Berater durchführen lässt. Bekloppt deswegen, weil die Beteiligten vollkommen diametrale berufliche Ziele verfolgen und niemand den weißen Elefanten im Raum sehen will: Die Redakteure wollen ein anspruchsvolles Architekturmagazin machen – egal, was es kostet. Der Verlag hingegen muss Geld verdienen – egal womit. Die einen berufen sich auf Pressekodex und kulturelle Relevanz, die anderen sprechen von Einsparungen und Synergieeffekten. Man redet aneinander vorbei.

Diese Konflikte, die jeder und jede bestätigen kann, der oder die in den letzten 25 Jahren Einblick in das Verlagswesen hatte, sind durchaus stark geschildert – auch deswegen, weil Bachmann seinem literarischen Anderen Ich, dem Chefredakteur Dr. Jasper Hartmann, selbstironische Züge zugesteht. Schwach ist das Buch jedoch immer da, wo der Autor es nicht lassen kann, wahllos kalauernde Seitenhiebe auszuteilen. Da lässt er zum Beispiel einen (unzureichend anonymisierten) preisgekrönten Architektur-Redakteur einer süddeutschen Tageszeitung als „Spasti“ bezeichnen, weil dieser immer dasselbe schreibe. Bachmanns Anliegen, die Fahne des Qualitätsjournalismus‘ in der Architekturpublizistik hochzuhalten, konterkariert er jedenfalls, wenn er ausgerechnet einen der wenigen einflussreichen Akteure, die seine Ziele teilen, nebenbei wegwitzelt.

Alles Geier! avedition, 2019, 19 €

Rezension von Dietmar Steiner in der Bauwelt

Während „Alles Geier“ also ein relevantes Anliegen verhandelt, macht „Schroeder schreibt“ einfach nur ratlos. Geboten wird eine zusammenhanglose Melange aus Lolita-Phantasien, Alte-Leute-Krankengeschichten, Katholizismus-Aufarbeitung und Schreibblockade-Problemen – alles verpackt in einem nur am Rande angerissenen Krimi-Plot. Bachmann kann sich hier mit seinem Prinzip der ebenso bemühten wie uneindeutigen Distanzierung von den Figuren nicht durchmogeln: Nur zu deutlich ist der Protagonist, ein siebzigjähriger Ex-Feuilletonist mit gesichertem monatlichem Renteneingang, als Alter Ego des Autors erkennbar. Wir ziehen jedenfalls daraus keinen Erkenntnisgewinn, auch wenn wir dem traurigen Helden am Ende (Achtung: Spoiler!) sein spätes Eheglück ebenso gönnen, wie uns die überraschende Wendung in der Lolita-Causa erleichtert.

Schroeder schreibt. Skript Verlag, 2020, 12 €

Berührungspunkte“ dagegen ist wesentlich disziplinierter und präziser in der Form und somit streckenweise spannend zu lesen. Denn auch diese Erzählung ist als Krimi angelegt, die Ereignisse werden szenisch aufbereitet wie bei einem Drehbuch zum ARD-Donnerstagskrimi. Warum geht es? Ein provinzieller Bauträger hat den Zuschlag für den Bau einer Wohnanlage bekommen, weil er sich in einem Investorenwettbewerb mit einem ebenso provinziellen, aber avantgardistisch-schwarzgekleideten Architekten mit Professur in Kaiserslautern zusammengetan hat, und versucht nun, den Entwurf nach dem empirisch ermittelten Retro-Geschmack der avisierten Käuferschicht zu verwässern. Währenddessen erpresst ein kleinkriminelles Pärchen mit Affinität zum Rotlichtmilieu den Bauträger, der daraufhin einen Detektiv engagiert.

Kaum überraschend, dass Bachmann auch hier Schlaglichter der Architekturdebatte in die Krimi-Handlung einschmuggelt. Ist das nun eine clevere Form der Architekturvermittlung mit populären Mitteln oder eine störende Abschweifung? Das wird das Architektur-Publikum anders bewerten als die Krimi-Leserschaft. Genre-untypisch sind hier allerdings die eingestreuten Strichzeichnungen und erst recht der „Abspann“: Dem Krimi folgt noch ein Essay mit dem Titel „Architektur hassen“. BCH gibt immer alles, auch wenn es zu viel ist.

Berührungspunkte. Brot&Kunst Verlag, 2020, 15 €

Schließlich erreichte uns noch ein Rezensionsexemplar von „Draußen“, einer Sammlung von 70 Kolumnenbeiträgen, die sich um Zustände und Ereignisse unter freiem Himmel drehen, und die ab 2014 auf dem ambitionierten und altruistischen Architekturportal marlowes.de veröffentlicht wurden. Die kleine Form der Glosse konnte Bachmann schon immer am besten; schade nur, dass hier die Fotos aus der Web-Kolumne fehlen.

Draußen. 70 Beobachtungen vor Tür und Angel. Verlag Ille und Riemer, 2021, 20 €

Benedikt Hotze

 

Geschrieben von Benedikt Hotze

22. Februar 2021 um 19:43

Abgelegt in Allgemein

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