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Rätselhaft: Klassisch modernes Relief am Friedhof Teltow

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Wir haben an der Mauer des Friedhofs am Weinbergsweg in Teltow ein beeindruckendes Beton-Relief vorgefunden, das uns ikonografisch beschäftigt hat.

Ausweislich des Teltower Heimatvereins stammt es von dem Künstler Joachim Karsch.

Laut Wikipedia ist Karsch der Klassichen Moderne zuzuordnen, er habe sich von den Nazis nicht korrumpieren lassen: https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Karsch

Das Relief dürfte ziemlich sicher im Zusammenhang mit dem Bau der neuen Friedhofskapelle stehen. Dieser wurde 1928 beschlossen und 1933-34 (andere Quellen: bis 1935) realisiert (die Angabe „bis 1944“ in der Wikipedia-Denkmalliste ist sicher ein Fehler). Architekt: Winfried Wendland.

Beim Teltower Heimatverein heißt es, um den heißen Brei etwas herumredend:

Das preußische Innenministerium stiftete dieses Betonguss-Relief, gestaltet vom Bildhauer Joachim Karsch. Es ist nicht selbsterklärend, man versucht von links nach rechts und wieder zurück die sechs Personen im Halbrelief zu deuten. Einige verharren, andere blicken einer über ihnen entdeckten Erscheinung, vielleicht einem Licht, entgegen. Die ursprünglich lesbare, heute verwitterte Inschrift findet sich im Inneren der Kirche wieder. Die Zementguss-Plastik erlangt kunsthistorische Bedeutung, weil sie eines der wenigen noch erhaltenen Werke Karschs ist.

Aufschluss gab mir dann meine kluge Kollegin, eine Kunsthistorikerin:

Wenn ich es richtig lese, dann steht da „und wenn er gleich stürbe“, wahrscheinlich bezogen auf den Bibelvers: „Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“

Die Ikonographie kenne ich nicht, die Figur rechts erinnert an Himmelfahrtsdarstellungen. In meiner Interpretation sind die stehenden Personen in einer Reihe, um bald in den Himmel hinaufzufahren. Die knienden Personen blicken den Toten hinterher und drücken damit ihr Bewusstsein für ihre Sterblichkeit und zugleich ihre Gottesfurcht aus. Ist aber auch nur eine schnelle These. Wäre noch interessant, was die Figur rechts in der Hand hält…

Das letzte können wir schnell aufklären: Was wie eine übergroße Pille aussieht, ist ein Kieselstein, den irgendjemand in das Relief hineingelegt hat.

Übrigens ist das die Kapelle des Friedhofs, die ganz offenbar im bauzeitlichen Zusammenhang mit dem Relief entstand:

Architekt: Winfried Wendland. Laut Dehio „Kreuzförmiger Klinkerbau, geprägt von Neuer Sachlichkeit und Expressionismus“.

Geschrieben von Benedikt Hotze

15. März 2021 um 00:04

Abgelegt in Allgemein,Architektur

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