tzetze

Das Blog von tze

Putbus: Klassizismus purifiziert!

keine Kommentare

Ein gründerzeitlichen Haus in Putbus auf Rügen in einem klassizistischen Umfeld verblüfft mit einem Vorher-Nachher-Vergleich…

Gartenstr. 1, Putbus,  Foto: 2014 (Axel Thieme und Bianca Bangoura via Wikimedia)

Das Haus Gartenstraße 1 in Putbus befindet sich dort am klassizistisch geprägten Platz „Markt“, wenn auch etwas abseits an einer Ecke gelegen und baugeschichtlich vermutlich ein paar Jährchen jünger als die 1830er-Platzhirsche dort. In der Wikipedia-Version der Denkmalliste sehen wir das Haus als romantisch-vergammelten Lost-Place mit einem Foto von 2014. Vor Ort hingegen haben wir es 2021 als fast bis zur Unkenntlichkeit purifizierte Kubatur vorgefunden.

Das Verkehrsschild ist geblieben: Zustand 2021, eigenes Foto

Der kürzlich erfolgte Umbau des seit längerem leerstehenden Gebäudes wurde ausweislich einer am Haus angebrachten Plakette von der Deutschen Städtebauförderung bezuschusst (oder preisgekrönt?). Nähere Infos über die Umstände der Sanierung oder die Beteiligten lassen sich in einer schnellen Netzrecherche zunächst nicht ermitteln.

Wie kamen wir überhaupt auf dieses Haus? Auf der voyeuristischen Suche nach Lost Places war uns das Wikipedia-Foto bei der Google-Suche ganz nach vorn gespielt worden. Vor Ort, bei der Annäherung aus einer Seitenstraße, vermuteten wir zunächst, das Eckhaus mit dem Türmchen sei abgerissen und durch einen Neubau ersetzt worden. Erst die stehenden Fensterformate und dann die Ansicht vom Platz aus bewiesen: Es ist der Altbau! Nur wurde er radikal purifiziert, vor allem der (hölzerne) Turmaufbau und der Turmhelm fehlen. Die Befensterung ist im Prinzip geblieben, wurde aber dezent an die neue Nutzung als Einfamilienhaus angepasst; insbesondere ein senkrechter Schlitz, offenbar zur Belichtung des Treppenhauses, setzt einen Akzent. Ein Blick durch die Eingangstür zeigt, dass die historischen Bodenfliesen des vormaligen Ladenlokals erhalten sind…

Darf man das? Im Vorher-Nachher-Vergleich irritiert der heutige Zustand zunächst als amputierter Torso. Auf den zweiten Blick offenbart die Lösung eine stringente Konsequenz. Vor Augen, dass eine derartige Fast-Ruine immer einen Liebhaber oder eine Liebhaberin benötigt, um überhaupt erhalten werden zu können, wird man diesen Umbau loben müssen – aus Denkmalschutzgründen vielleicht nur bedingt, aber sicher aus Gründen des Substanzerhalts und als (klimaschonendes) Vorbild für den zeitgemäßen Einfamilienhausbau: Revitalisiert die leergefallenen Zentren, achtet den Bestand, und baut nicht neu auf der grünen Wiese!

 

Anke Barz (1962–2023) am 22. Juli 2021 in Buschvitz/Rügen

Geschrieben von Benedikt Hotze

19. Juli 2021 um 22:34

Abgelegt in Allgemein,Architektur

Hinterlasse doch ein Kommentar