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Land-Art am Ortsrand: Aufgegebene Autobahn „Strecke 77“ bei Hamm

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Die Nazis haben 1937 (andere Quellen: 1938 oder 1939) mit dem Bau einer Autobahn begonnen, die nie in Betrieb ging: Das als „Strecke 77“ bezeichnete Stück zwischen Hamm-Rhynern und Berwicke war als Teil einer Strecke gedacht, die das Ruhrgebiet mit Kassel und weiter mit Oberschlesien verbinden sollte. Durch einen allgemeinen Autobahn-Baustopp im Kriegsjahr 1942 nie vollendet, wurde die ursprüngliche Streckenplanung 1963 endgültig verworfen. Heute bedient stattdessen die A44 die Verbindung Dortmund-Kassel. Die Strecke 77 geriet in Vergessenheit, und der Großteil der schon errichteten 17 Bauwerke steht seitdem als flächenhaftes Land-Art-Mahnmal in der Gegend herum. Faszinierend!

Überführungsbauwerk Kettlerholz

Sehr fundierte Infos zu den Bauwerken der Strecke 77 von Christian Kuhlmann finden sich bei geschichtsspuren.de.  Ausgesprochen hilfreich sind auch die Lagepläne und Fotos der Arbeitsgemeinschaft Autobahngeschichte e.V.

Bei Hamm-Rhynern war der Anschluss an die Autobahn Oberhausen-Hannover in Form eines Autobahndreiecks bereits fertig; das Überführungsbauwerk (51.6412130, 7.9004205) wurde erst im Zuge der sechsspurigen Verbreiterung der A2 Ende der 1980er Jahre abgerissen. Heute kann die Form der Fahrrampen („Trompete“) noch im Luftfoto abgelesen werden.

Rampe zum abgerissenen Anschlussbauwerk an die heutige A2 bei Hamm-Rhynern

Während auch das Brückenbauwerk über die Straße „In Süddinker“ 1975 komplett abgerissen wurde (weil die Durchfahrtshöhe für Lkws nicht ausreichte), stehen die Widerlager der Überführung Illinger Straße (51.6346024, 7.9210510) in Süddinker bis heute. Dass dort jemals eine Fahrbahn existiert hat, ist angesichts der oben aus den Widerlagern sauber herausragenden Bewehrungseisen unwahrscheinlich, wenn auch in der im Netz zugänglichen Literatur unklar. Jedenfalls ist die Illinger Straße im Bereich der Unterführung abgesenkt.

Widerlager Illinger Straße

Widerlager Illinger Straße

Widerlager Illinger Straße

Vom Überführungsbauwerk Hauskamp steht heute noch ein Widerlager (51.6291235, 7.9378863).

Widerlager Überführungsbauwerk Hauskamp

Widerlager Überführungsbauwerk Hauskamp

Das Überführungsbauwerk Buchenstraße in Welver (51.6289260, 7.9550708) ist die größte Anlage: Zwei Widerlager und ein Mittelpfeiler in diagonaler Ausrichtung stehen noch, lediglich die Fahrbahn fehlt.

Überführungsbauwerk Buchenstraße

Überführungsbauwerk Buchenstraße

Überführungsbauwerk Buchenstraße

Am eindrucksvollsten, weil vollständig mit Fahrbahn, ist das Überführungsbauwerk Kettlerholz (51.6288809, 7.9691920). Die Autobahn sollte natürlich unten hindurch führen; die (schmale) Fahrbahn diente der Überführung einer untergeordneten Straße.

Überführungsbauwerk Kettlerholz

Überführungsbauwerk Kettlerholz

Überführungsbauwerk Kettlerholz

Überführungsbauwerk Kettlerholz

Es existieren noch weitere Bauwerke, darunter Bachdürchlässe, die im Frühsommer 2022 entweder nicht zugänglich oder nicht lokalisierbar waren.

Alle erhaltenen Relikte der „Strecke 77“ auf den Gebieten der Stadt Hamm und der Gemeinde Welver wurden 2013 unter Denkmalschutz gestellt (Wikipedia)

Nur indirekt mit der Strecke 77 im Zusammenhang steht die Brücke des Caldenhofer Wegs über die A2 (51.6423280, 7.9042690), die 1935 errichtet wurde und unter Denkmalschutz steht. Diese Brücke hat drei Brückenfelder (die offenbar im Zusammenhang mit der Einfädelung der Strecke 77 stehen); daher konnte diese Brücke bei der Verbreiterung der A2 erhalten werden. Allerdings wurde der stählerner Deckenträger neu gebaut; die mit Werkstein verkleideten Pfeiler und Widerlager wurden erhalten.

Überführung des Caldenhofer Wegs über die A2 (1935; Stahlträger erneuert)

Geschrieben von Benedikt Hotze

30. Mai 2022 um 17:21

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