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Weimar: Rhabarbar in der Garage von Thomas Kemmerich

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Die Weimarer Studenten-, pardon: Studierenden-Szene ist woke, divers und international. Jedenfalls hat die studierende Tochter dem besuchenden Papa dies so vorgeführt. Eine wohl nicht ganz legale Nachtbar in einer privaten Garage der Weimarer Westvorstadt hat uns eine andere Facette der örtlichen Gastronomie gezeigt: die „Rhabarbar“. Die Garage gehört zu dem privaten Anwesen des kurzzeitigen Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich.

An Himmelfahrt 2022, was hier Herrentag heißt, konnten wir von der Terrasse des griechischen Lokals „Apollon“ in der Weimarer Westvorstadt aus schräg gegenüber irgendeine bildmächtig zuckernde Action sehen, die auf den ersten Blick nicht einzuordnen war. Videothek? Gibts ja kaum noch. Karaoke-Bar? Hm. Kunstinstallation? Schon eher.

Naturgemäß neugierig, landeten wir vor einem geöffneten, doppelten Garagentor eines Einfamilienhauses. Davor und darin eine Jeunesse dorée, schöne junge Menschen mit Getränken. Ganz sicher keine woken Studierenden. Das zuckende Licht entpuppte sich als riesiger LED-Monitor, auf den Musik-Videos gezeigt wurden.

Wir fragten vorsichtig um die Erlaubnis, einzutreten, und wurden als Paar 50+ auch sehr freundlich hereingebeten. Das allgemeine „Du“ gefiel uns, die Getränke waren für uns umsonst. (Wir haben dann einen Schein in die Kaffeekasse gesteckt.)

Weimar-Paul, der Barkeeper, der mir später noch seine Telefonnummer gibt, erzählt etwas großspurig, dass hier regelmäßig Klagen wegen Lärmbelästigung eingingen, die aber jeweils gegen Zahlung eines Bußgeldes von 93 Euro abgewehrt werden könnten. Bevor uns der Hintergrund dieser halblegalen Garagen-Kneipe näher erläutert werden kann (dazu später mehr), tritt der Mann auf, der sich als Hausherr vorstellt.

„Ich bin der Thomas!“ Stilisierte Glatze, sportliches Hemd, keine Krawatte. Sympathischer Typ, er erzählt etwas von fehlenden Angeboten für junge Leute in Weimar. Irgendwann sagt er: „Ihr kennt mich wirklich nicht?“ ­­­- „Nee, sorry.“ – „Ich bin der Thomas Kemmerich.“ Obwohl wir hier privat und zu später Stunde unterwegs sind, erwacht mein journalistischer Ehrgeiz: „Also der kurzzeitige thüringische Ministerpräsident, der sich mit den Stimmen der AfD hat wählen lassen und dem dafür ein Blumenstrauß vor die Füße geworfen wurde?“ Genau der.

Warum hat er das zugelassen? „Ich bin Unternehmer. Als solcher bin ich es gewohnt, Angebote abzugeben, und wenn eines angenommen wird, nehme ich es auch an.“

Immerhin können wir uns auf eines einigen: „Stimmst du mir zu, dass diese Typen Nazis sind?“ – „Absolut!“ Diese Klarheit gefällt mir, und ich lasse mir erleichtert von Weimar-Paul noch eine Flasche Wicküler öffnen (das Wuppertaler Bier erklärt sich wohl durch die rheinische Herkunft des Hausherrn).

An einem zweiten Abend kommen wir mit Kemmerichs Söhnen ins Gespräch.

Der Videoscreen ist aus, die Bar eigentlich geschlossen. Aber neue Freunde wie wir kommen auf Klopfzeichen rein. Mit einem Sohn fachsimple ich über alte Mercedes-Autos, er fährt ein W-123-Coupé, und auf das 280-SE-Cabrio können wir uns beide einigen (was wir uns beide nicht leisten können). Thomas kommt rein, aber wir haben den Verdacht, dass er nur unseretwegen vorbeischaut, Unter einem Vorwand ist er schnell wieder weg. Sein gutes Recht!

Als der Sohn 16 war, schlug er seinem Vater vor, in der Garage eine Party-Location einzurichten. Der Vater stimmte zu, und viel mehr gibt es dazu auch nicht zu berichten. Die Bar wurde durch Einrichtung eines Tresens professionalisiert. Als in der Wolle gefärbte Liberale lehnen die Kemmerichs Regulierung eher  ab. Also lieber öfter mal 93 Euro zahlen…

Wir haben uns in der Kemmerich-Bar sehr wohl gefühlt. Danke an euch in Weimar!

Geschrieben von Benedikt Hotze

7. Juni 2022 um 00:31

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