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Latein als Schulfach: Langweilig ­– aber bringt was!

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Das Große Latinum wurde mir quasi automatisch geschenkt, weil ich auf einem altsprachlichen Gymnasium von der 5. bis zur 10. Klasse in den Jahren 1974-1980 Lateinunterricht hatte (und in die 11. Klasse versetzt wurde). Danach habe ich dieses langweilige Fach natürlich sofort abgewählt. Ich stelle aber im Berufsleben fest, dass Latein mir bei Grammatik und Zeichensetzung in der eigenen Sprache und bei Fremdsprachen entscheidend nützlich ist. Wie das?

Dazu erstmal eine Anekdote: Nach meiner Sprachenfolge Latein, Englisch und (Alt-) Griechisch (an zwei verschiedenen Schulen) besuchte ich in der 11. Klasse einen ambitionierten Französich-Grundkurs für Anfänger, an dem ausschließlich altsprachlich ausgebildete Schülerinnen und Schüler teilnahmen. Der Französisch-Lehrer versuchte verzweifelt, uns den Unterschied zwischen direktem und indirekten Objekt zu erklären. Nichts half, niemand hat das verstanden. Bis er schließlich entnervt sagte: „Man kann natürlich auch Akkusativ- und Dativ-Objekt sagen“. Der ganze Kurs stöhnte erleichtert auf: „Warum haben Sie das nicht gleich gesagt, das hätten wir sofort verstanden!“

Der Wert des Latein-Unterrichts liegt also nicht darin, unregelmäßige Verben zu pauken, und auch nicht darin, Fachvokabeln für das Medizin- oder Jura-Studium zu erlernen. Der Wert liegt vielmehr darin, anhand eines klaren Systems ein Gefühl für Grammatik und Syntax der Sprache zu bekommen. Das könnte man theoretisch auch anhand anderer Sprachen durchdeklinieren (!), aber es ist anhand des Lateinischen sensationell stringent und plausibel. Beispiele:

Zeitenfolge (Imperfekt, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur II: Was ist bedeutet Vorzeitigkeit in der Zukunft?). Was ist ein Hauptsatz, was ein Nebensatz; wann ist „dass“ eine Nebensatzkonjunktion, wann ein bestimmter Artikel („das“)? Die Satzstruktur ist wichtig für die Kommasetzung im Deutschen, vor allem, wenn die Reihenfolge der Teilsätze variiert. Und: Wer ist Subjekt, in welchem Numerus steht also das Prädikat? Peter und Paul gehen in die Schule (Subjekt im Plural); Peter geht mit Paul in die Schule (Subjekt im Singular)… Warum wird ein Verb manchmal großgeschrieben? Wenn es ein Gerundium ist – das Gerundium ist der deklinierte Infinitiv, wenn man also einen bestimmten Artikel davorsetzen kann: Ich gehe (Verb, also klein), aber: Das Gehen fällt mir schwer (Gerundium, also groß). Sowas begegnet einem beim Lektorieren von Texten andauernd. Das jahrelang im Lateinunterricht trainiert und verstanden zu haben, prägt.

Nicht irgendwelchen Gallischen Kriege sind erstrebenswerter Lernstoff, sondern das Verständnis von Sprache als gebautem Konstrukt. Da hilft Latein vor allem auch für die eigene Sprache. Und daher bin ich nicht böse drum, das erlernt zu haben. Einen lateinischen Satz unfallfrei zu übersetzen, das schaffe ich allerdings kaum noch. Muss ich ja auch nicht, habe ja das Große Latinum ;-)

Geschrieben von Benedikt Hotze

4. Oktober 2022 um 00:08

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