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Mit pädagogischem Effekt: Fahrradstreifen

3 Kommentare

Viele Berliner Bezirksverwaltungen machen es zur Zeit vor, aber auch anderenorts ist gerade viel Bewegung: Immer häufiger sieht man in deutschen Städten neue markierte Fahrradstreifen auf der Fahrbahn. Oftmals gehen sie zu Lasten des Autoverkehrs, denn vielfach wurden aus zwei ehemaligen Fahrspuren nur noch eine Spur plus Radstreifen. Was eindeutig als Maßnahme zur Förderung des Fahrradverkehrs zu erkennen ist, wird jedoch von einigen engagierten Fahrrad-Aktivisten abgelehnt. Doch sie übersehen den pädagogischen Effekt der Fahrrad-Piktogramme.

Jahrzehntelang galt in Deutschland unter Verkehrsplanern und Politikern die Doktrin, dass Radfahrer auf separierten Radwegen am sichersten unterwegs seien. So gab es auch lange Zeit eine „Radwegbenutzungspflicht“. Diese Pflicht wurde unter den Nazis in die Straßenverkehrsordnung eingeführt – allerdings nicht, weil man sich um die Sicherheit der Radfahrer sorgte, sondern weil der damals aufkommende „moderne“ Autoverkehr nicht durch die langsameren Radler behindert werden sollte.

Dass es mit der Sicherheit auf Radwegen nicht weit her ist, wissen erfahrene Alltagsradler schon lange. Sie werden dort nicht als Bestandteil des Verkehrsgeschehens wahrgenommen und laufen an Einmündungen Gefahr, von abbiegenden Autofahrern übersehen zu werden. Spätestens in den neunziger Jahren wurden diese Alltagserfahrungen auch durch maßgebliche Studien, zum Beispiel der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), bestätigt. In der Folge hat der Gesetzgeber (übrigens eine schwarz-gelbe Koalition unter Kanzler Helmut Kohl) mit der so genannten „Radwegnovelle“ von 1997 die generelle Benutzungspflicht von Radwegen aufgehoben. Allerdings blieb dies von den meisten Verkehrsteilnehmern – auch Radfahrern – lange Zeit weitgehend unbekannt. Auch die Straßenbaubehörden bauten weiter munter separierte Radwege. Erst ein höchstrichterliches Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von November 2010 bekräftigte die geltende Rechtslage unmissverständlich: Eine Benutzungspflicht von Radwegen darf nur als besonders zu begründende Ausnahme angeordnet werden.

Jetzt endlich reagierten die Behörden und hoben die Benutzungspflicht vielerorts auf, indem sie die blauen Radwegzeichen abmontieren ließen. Stattdessen werden jetzt vielfach die genannten Radfahrstreifen auf der Fahrbahn markiert (die genau genommen „Schutzstreifen“ heißen, sofern sie nicht als benutzungspflichtg ausgeschildert sind). Gegenüber separat geführten Radwegen vermeiden diese Streifen deren entscheidenden Nachteil: Hier fahren Radfahrer nicht mehr hinter parkenden Autos versteckt, sondern sie bewegen sich im unmittelbaren Sichtfeld der anderen Verkehrsteilnehmer.

Dennoch lehnen engagierte Radfahrer nicht nur die separierten Radwege, sondern auch die Streifen auf der Fahrbahn ab. Denn sie sind prinzipiell gegen jede Separierung von Verkehrsmitteln und möchten Radfahrern grundsätzlich die gleichen Rechte einräumen wie Autos. Mir erscheint eine solche „Fundi“-Haltung als etwas theoretisch. Denn nicht wegdiskutieren lassen sich doch die positiven pädagogischen Effekte dieser Markierungen: Wenn Autofahrer alle paar Meter ein Fahrrad-Piktogramm auf „ihrer“ Fahrbahn sehen, werden irgendwann auch die letzten Ignoranten bemerken, dass sich etwas geändert hat. Sie werden nicht mehr durch Hupen und Schneiden Radfahrer auf nicht benutzungspflichtige „andere Radwege“ abzudrängen versuchen, wie dies heute noch alltäglich passiert. Allein dieser Effekt erscheint mir im Alltag bereits völlig hinreichend, um die Markierung von Schutzstreifen auf der Fahrbahn zu begrüßen.

Geschrieben von Benedikt Hotze

29. April 2011 um 16:17

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3 Kommentare zu “Mit pädagogischem Effekt: Fahrradstreifen”

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  1. Kai

    24. Mai 11 um 15:20

    Zitat: „die genannten Radfahrstreifen auf der Fahrbahn markiert (die genau genommen „Schutzstreifen“ heißen, sofern sie nicht als benutzungspflichtg ausgeschildert sind“

    Nein, das sind zwei verschiedene Dinge. Radstreifen sind mit Breitstrich abmarkiert und haben meist auch nach rechts noch eine Abstandsmarkierung. Sie müssen mind. 1,50 m breit sein und dürfen nicht vom Kraftfahrverkehr benutzt werden.

    Schutzstreifen werden mit durchbrochener Linie abmarkiert wie im Bild, sie haben keine Begrenzung nach rechts, müssen nur 1,25 m breit sein und können vom Kfz-Verkehr zeitweise befahren werden.

    Schutzstreifen werden meist angelegt, wenn die Fahrbahnen relativ schmal sind, aber der Wille vorhanden ist, ein Angebot für Radfahrer zu schaffen. Seltener auch, um die Gesamtfahrbahn optisch zu verschmälern, dann wird meist die Mittlelinie weggelassen.

    Das führt dazu, dass Schutzstreifen regelmässig viel zu schmal ausfallen, so dass man als Radfahrer wählen kann, ob zu knapp überholt werden möchte oder im Aufklappbereich von geparkten Autos fährt.

    Ich kann die Euphorie nicht so ganz teilen. Der einzige positive Effekt aus meiner Sicht ist, dass sich mehr Radfahrer als sonst auf die Fahrbahnen trauen. In meiner Gegend ist das Hupen und Schneiden allerdings recht selten, so dass ich keinen Unterschied im Verhalten beobachten konnte, wenn Radstreifen neu gebaut wurden.

  2. Susi

    24. Mai 11 um 15:15

    Das alte Problem, dass geradeausfahrende Radfahrer auf Radwegen rechts neben rechtsabbiegenden Autos fahren, besteht auch auf Radfahrstreifen oder Schutzstreifen. Entsprechende Unfälle gibt es also weiterhin, wenn auch wegen der besseren Sicht nicht ganz so oft. Das man Radfahrer sehen kann, führt nicht dazu, dass sie gesehen werden. Insbesondere, wenn sie schnell von hinten kommen, kann man sie auch weiterhin schlecht sehen. Warum also diese Streifen? Damit der Überholabstand geringer wird (was belegt ist)? Ich wüsste nicht, dass in einer Stadt je ein Autofahrer einen Radfahrer von hinten angefahren hat. In sofern braucht man keine Trennung.

    Ansonsten noch ein Hinweis: Wenn Radfahrstreifen so schlecht angelegt werden, wie auf dem Foto, kann man das wohl kaum loben: Der Abstand zwischen Fußgängerfurt und Radweg-Haltlinie ist zu klein. Und die Haltelinie des Kfz-Verkehrs müsste 3-5 Meter hinter der des Radwegs sein, damit Radfahrer bei rot nicht im toten Winkel stehen. Schlechter kann man das wohl kaum machen.

  3. irgendwer

    23. Mai 11 um 21:08

    Schmutzstreifen sind der selbe Dreck wie jede andere Form der Separierung auch. Sie manifestieren nur in den Köpfen der Autler, Radfahrer dürften nur dort fahren, wo’s diese Strassenmalerei gibt …

    Mischverkehr ist die einzig akzeptable Alternative.

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