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Dreileben – gescheitert an der Quotenhürde?

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Das Fernsehexperiment „Dreileben“ ist an der Quotenhürde gescheitert, wie zuvor schon die ambitionierte Serie „Im Angesicht des Verbrechens“. Niederlage für anspruchsvolle Produktionen? Nur, wenn man die Quote überbewertet. Man sollte lieber einmal fragen, wie sie zustande kommt.

Heute steht in der Zeitung, dass der dreiteilige, vorgestern Abend ausgestrahlte Zyklus „Dreileben“ nur eine enttäuschende Zuschauerquote eingefahren habe. Während der erste Film um 20.15 Uhr noch 2,6 Millionen Zuschauer hatte, sei der letzte Teil, der ab 23.30 gesendet wurde, nur noch von 0,8 Millionen gesehen worden. Zum Vergleich: Ein guter „Tatort“ holt gerne schon mal über zehn Millionen. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, was jetzt kommt. Die Programmverantwortlichen der Öffentlich-Rechtlichen werden sage: „Wir haben es doch gewusst, anspruchsvolle Produktionen werden vom Zuschauer nicht angenommen“. Und damit die weitere Verflachung ihrer Programme begründen.

Doch wie kommt die Quote eigentlich zustande? Dazu zwei Gedankenschritte.

Bei „Dreileben“ war doch von vornherein klar, dass die wenigsten Zuschauer an einem Werktag von acht Uhr abends bis ein Uhr nachts vor dem Fernsehen sitzen können (oder wollen). So schlüssig es war, diese drei inhaltlich eigenständigen, aber eben doch miteinander verwobenen Filme an einem einzigen Abend zu senden, so wenig war damit zu rechnen, dass die Zuschauer es auch so konsumieren. Seit 25 Jahren gibt es in fast allen Haushalten Viderecorder, die ein nachträgliches Sehen von Fernsehinhalten erlauben. Moderne, fernsehtaugliche Computer und Festplattenrecorder ermöglichen gar ein zeitversetztes Ansehen gerade laufender Programme. Nicht wenige werden also diese Filme versetzt oder später angesehen haben, was aber bei der Quotenermittlung nicht erfasst wird.

„Im Angesicht des Verbrechens“ war zuerst erfolgreich auf „arte“ gelaufen. Jeder im Bekanntenkreis, von dem überhaupt angenommen werden kann, sich fürs Fernsehen zu interessieren, hatte die Serie bereits dort gesehen; sie war damals überall Tagesgespräch. Natürlich sieht man sich dann die Wiederholung im „Ersten“ nicht mehr an.

In einem zweiten Schritt ist zu fragen, wer eigentlich für die Quote sorgt. Meines Wissens passiert das bis heute mit archaischen Mitteln: In – angeblich – repräsentativ ausgewählten Haushalten muss jedes Familienmitglied in ein Gerät eingeben, welchen Sender es gerade sieht. Bei jedem Programmwechsel oder beim Verlassen des Raums muss man dies dokumentieren. Ich frage mich schon länger, wer sich so etwas antut, zumal die Probanden davon so gut wie nichts haben. Ist es Wichtigtuerei? Oder glauben die Leute, mit ihrem Sehverhalten Inhalte zu beeinflussen? Jedenfalls liegt der Verdacht nahe, dass bildungsnahe Schichten sich eher weniger für derartige Konsumforschungen hergeben.

Aber selbst wenn man unterstellt, dass das Panel wirklich repräsentativ ist, liegt es auf der Hand, dass das Sehverhalten von bewussten, kritischen Fernsehzuschauern sozusagen untergeht unter dem Gewicht der Viel-Fernseher. Denn gezählt wird nur, was die Leute wirklich sehen. Diejenigen, für die Fernsehen nur eine Option der Freizeitgestaltung unter vielen anderen Möglichkeiten ist, werden „untergebuttert“ von den Dauerglotzern (bei denen wir eine tendenziell eher bildungsferne Haltung vermuten dürfen). Erst, wenn die Gesamtdauer der Fernsehnutzung in die Quotendaten eingerechnet würde (was technisch ja kein Problem wäre), wären die Quoten aussagefähig. Anders gesagt: Wer täglich eine Stunde fernsieht, dessen „Stimme“ müsste um den Faktor 6 mehr zählen als die „Stimme“ dessen, der sechs Stunden schaut.

Solange das aber nicht der Fall ist, werden die Quoten halt tendenziell von den „Falschen“ gemacht. Ein öffentlich-rechtliches Fernsehen, das demnächst sogar von einer Haushalts-Zwangsabgabe finanziert wird, hat nicht den Auftrag, sein Programm an diesen „Falschen“ auszurichten. Es hat den Auftrag, im Fernsehen für Qualität zu sorgen. So wie es das Fernsehen bei „Dreileben“ und „Im Angesicht des Verbrechens“ vorbildlich getan hat. Diese Anstrengungen jetzt wegen des Quoten-Misserfolgs aufzugeben, wäre genau das falsche Signal.

Geschrieben von Benedikt Hotze

31. August 2011 um 19:06

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