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Prioritäten der Berliner Polizei: „Kommen Sie mal zu Ihrem Fahrzeug!“

3 Kommentare

Ein ganz normaler Einsatz von Streifenbeamten anlässlich eines vermuteten Bagatellschadens an einem geparkten alten Auto in Berlin wirft Fragen auf: Welche Prioritäten verfolgt die Polizei?

Ich muss diese Geschichte mit einer anekdotenhaften Schilderung beginnen: Vorgestern Abend saß ich in meiner beschaulichen Wohngegend in Berlin-Zehlendorf auf dem Balkon, es war draußen schon dunkel, und ich hörte Musik mit dem Kopfhörer, um meine lieben Nachbarn nicht zu stören. Auf einmal bemerkte ich ein blinkendes Licht neben mir an der Hauswand. Ich setzte den Kopfhörer ab, stand auf und blickte herunter auf die Straße. Dort unten standen zwei Polizeibeamte in voller Montur, einer blinkte mit einer LED-Taschenlampe in meine Richtung und sprach mich an: „Sind Sie Herr Hotze?“ – „Ja“ – „Können Sie bitte mal zu Ihrem Fahrzeug kommen?“

Einigermaßen verdutzt ging ich also herunter. Um es kurz zu machen: Die Polizisten verfolgten eine Meldung, derzufolge jemand mein geparktes Auto beschädigt haben sollte. Dazu muss man wissen, dass mein Auto 23 Jahre auf dem Buckel hat und auf sein H-Kennzeichen wartet. Marktwert ungefähr 2.000 €. Es waren – auch für die Polizeibeamten erkennbar – keine sichtbaren schweren Schäden vorhanden, außer einigen Kratzern an der Kunststoff-Stoßstange, die ich einst selbst verursacht hatte, weil ich bei Saturn in der Tiefgarage mal eine Euro-Palette unsanft gerammt habe. Ich konnte den Polizisten also melden, dass kein Neuschaden vorliegt.

Was mich an diesem Vorgang so irritiert, ist die greifbare Diskrepanz zwischen einerseits der vorbildlichen Bürgernähe des Einsatzes (ein womöglich geschädigter Bürger wird von der Polizei unterstützt) und der nicht nachvollziehbaren Prioritätensetzung dieses Einsatzes andererseits.

Da beschäftigen sich zwei Polizeibeamte insgesamt eine Stunde lang mit einem nicht vorhandenen Bagatellschaden an einem alten Auto, während man immer in der Zeitung liest, dass Wohnungseinbrüche (die für die Opfer sehr traumatisierend sein können) aus Personalmangel nicht ausermittelt werden. Außerdem stelle ich mir die Frage, ob dieselben Streifenbeamten mit ähnlicher Akribie vorgegangen wären, wenn es nicht ums „Heilige Blechle“ gegangen wäre, sondern zum Beispiel eine rechtsradikale Attacke auf eine migrantische Frau gemeldet worden wäre – nur so als Beispiel.

Ich weiß es nicht, und ich möchte nichts unterstellen. Aber diese Frage habe ich.

Geschrieben von Benedikt Hotze

16. Juli 2020 um 21:47

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3 Kommentare zu “Prioritäten der Berliner Polizei: „Kommen Sie mal zu Ihrem Fahrzeug!“”

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  1. R. Volkmann

    17. Apr 21 um 14:43

    Lieber Benedikt Hotze,
    Ich lese in Deinem Blog immer wieder gern. Deine Recherchen gehen in die Tiefe und öffnen dem Leser die Augen, um Dinge anders zu betrachten. Warum also nicht mal Fragen stellen,die,wie in diesem Artikel, mich zum Nachdenken anregen.

    Erzieher sitzen auf dem Spielplatz auf der Bank und die Kinder wuseln im Sandkasten herum. Ein kleines Kind der Gruppe steht abseits und beobachtet das Geschehen.

    In einer Arztpraxis steht eine Schwester am Fenster und nippt von der Kaffeetasse.

    3 Bauarbeiter stehen neben einem Bagger und sehen zu,wie der Fahrer versucht, eine schwere Gehwegplatte zu verschieben.

    ….

    Es sind Momentaufnahmen. Auch bei der Polizei gibt es diese. Vielleicht haben die Polizisten vor dem Anruf zu Deinem Fahrzeug ein Unfallopfer gesehen, einem Familienmitglied sagen müssen, dass ein Elternteil dabei verstorben sei. Vielleicht mussten sie einem Opfer,das ausgeraubt wurde zur Seite stehen…vielleicht. Klar, es ist ihr Job. Aber menschlich gesehen, gönne ich ihnen diese eine Stunde an Deinem Auto

    Lg R. Volkmann

    • Benedikt Hotze

      17. Apr 21 um 23:54

      Lieber R.,

      ich danke dir für deinen Kommentar und gebe gerne zu, dass du mir eine neue Perspektive auf diesen Einsatz eröffnet hast: Vielleicht haben die Polizeibeamt/innen einfach nur am Ende einer stressigen Schicht etwas chillen wollen.

      • R. Volkmann

        18. Apr 21 um 10:34

        Lieber Benedikt,
        auch mir gehen manchmal solche Gedanken durch den Kopf. Deine Darstellung hat mich angestoßen, über Aussagen wie – so einen Job möchte ich auch haben, rumsitzen/stehen und Geld verdienen – nachzudenken. Der Stresspegel ist in vielen Berufen gestiegen. Ich stehe für Entschleunigung, wobei hier auch einiges politisch noch gemeistert werden müsste.

        Lg Rita Volkmann :)

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