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Hut, Bad, Prärie: Neues aus Luckenwalde

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Luckenwalde, etwa 50 Kilometer südlich von Berlin gelegen, ist in die internationale Architekturgeschichte eingeschrieben durch die Hutfabrik von Erich Mendelsohn. Was es dort sonst noch zu sehen gibt, hatten wir im September 2017 erkundet und hier aufgeschrieben. Ein Wiederbesuch ergab heute Neues…

Anfangen müssen wir natürlich mit der Hutfabrik (1922/23). Ein Investor hatte nach der Wende den 1936 abgetragenen, charakteristischen „Hut“ der ehemaligen Färbereihalle, eine vielfach publizierte Inkunabel der frühen modernen Industrie-Architektur, mit Fördermitteln wiedererrichtet, wenn auch mit sehr einfachen Mitteln – so ist das Dach lediglich mit Pappe gedeckt. Seitdem sind die Aktivitäten offenbar zum Stillstand gekommen, das Gelände ist unzugänglich, und nach Auskunft von Anwohnern stapelt sich dort Schutt und Unrat.

Mehr Hoffnung gibt es für das ehemalige Stadtbad (1927-29) des Siemens-Hausarchitekten Hans Hertlein.

Schwimmen wird man dort wohl nicht mehr können, das Gebäude wird aber offensichtlich sukzessive hergerichtet. Der Eingangsbereich mit Freitreppe ist gegenüber dem Zustand 2017 saniert, ebenso sind die Fenster mit rot gefärbten Profilen erneuert. Laut RBB-Bericht von 2022 werden hier Mittel der Nationalen Städtebauförderung in ein Kunst- und Kreativzentrum investiert.

2017 schon gesehen hatten wir die neusachlich-moderne Volksheimsiedlung von W. Ludewig (1928-32), allerdings damals dem zentralen Heizkraftwerk mit dem ortsbildprägendem Schornstein keine Beachtung geschenkt, der als städtebaulicher  Point de Vue am V-förmig angelegten Ebertplatz fungiert. Das Heizkraftwerk ist derzeit von Bauzäunen umgeben und wirkt marode.

Der unmittelbare Anlass für den Wiederbesuch war aber die katholische St-Joseph-Kirche, die uns bei der Vorbeifahrt mit der Bahn aufgefallen ist.

Wie im protestantischen Kernland Preußens üblich, haben die Katholiken erst spät, im 19. oder sogar erst im 20. Jahrhundert, eigene Kirchen errichten können, was auch an Bismarcks Kulturkampf lag. In Luckenwalde baute der Architekt Max Hasak diese eindrucksvolle neugotische Kirche mit ihrer Zweiturmfassade typischerweise abseits des Stadtzentrums (1913/14). Wie bei der fast zeitgleichen St.-Bonifatius-Kirche in Berlin-Kreuzberg an der Yorckstraße des selben Architekten vermischen sich hier Motive der märkischen Backsteingotik mit der aufkommenden Moderne.

Schließlich haben wir als Zufallsfund noch ein wunderschönes und im Außenbau original erhaltenes, wenn auch heruntergekommenes Bauwerk der klassischen Moderne entdeckt, das von dem Luckenwalder Lokalhelden Paul Backes stammt, den wir schon 2017 mehrfach erwähnt hatten.

1929-31 als Kreiskonsumverwaltung errichtet, dient es heute offensichtlich Wohnnutzungen. Vergleiche mit der Konsumzentrale in Leipzig-Plagwitz von Fritz Höger drängen sich auf.

Unser Besuch endete am Waldfriedhof, angelegt 1921/22. Die Pförtnerhäuser von Richard Neutra mit ihren weit überstehenden Dächern lassen einen Bezug zum „Prairie style“ von Frank Lloyd Wright erkennen. Folgerichtig ging Neutra 1923 in die USA, wo er zu einem der wichtigsten Protagonisten der Moderne wurde.

 

Geschrieben von Benedikt Hotze

29. März 2024 um 22:31

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