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Eisenbahnrelikte IV: Die Königlich Preußische Militär-Eisenbahn Berlin–Jüterbog

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Prolog: Die „Kanonenbahn“ auf der Moselstrecke zwischen Koblenz und Trier hat den deutsch-französischen Krieg 1870/71 entscheidend beeinflusst. Dank der eilig gebauten Strecke konnte Deutschland schneller schwere Waffen ins Kriegsgebiet liefern als der Gegner. Heute tuckern Diesel-Triebwagen der Regionalbahn über das Pündericher Hangviadukt.

Ortswechsel: Die „Königlich Preußische Militär-Eisenbahn“ (KME) zwischen Berlin-Schöneberg und Jüterbog wurde ab 1875 errichtet und um 1920 als Ergebis des Versailler Vertrags entmilitarisiert, also dem zivilen Personenverkehr zugeführt. Nach 1990 wurde die Strecke stillgelegt und dient heute teilweise als Draisinenbahn touristischen Zwecken. Eine Reihe von architektonisch aufwändigen Bahnhofsgebäuden sind erhalten und waren das Ziel unseres heutigen Sonntagsausflugs.

Die Geschichte der KME wird in einem Wikipedia-Artikel gut zusammengefasst. Die dortige Karte von User Hbf878 zeigt den Streckenverlauf:

Der „Militair-Bahnhof“ Schöneberg lag nicht etwa dort, wo der heutige S-Bahnhof Schöneberg ist; dieser entstand erst in den 1930er Jahren als Kreuzungsstation zwischen Ringbahn und Wannseebahn. Er lag vielmehr an der Dresdener Bahn südlich der heutigen Kolonnenstraße; etwa dort, wo heute „Mitte Meer“ untergebracht ist. Das burgartige Empfangsgebäude wurde nach Kriegsbeschädigung 1955 abgerissen, vgl. museum.teltow-flaeming.de.

Der Militärbahnhof Marienfelde, noch auf Berliner Stadtgebiet, eröffnet diesen Reigen mit einer ansonsten unüblichen Architektur: eingeschossig und weiß gestrichen.

In Mahlow begegnet uns nun ein typischer Militärbahnhof der KME – nach soeben erfolgtem Umbau der Bahnanlagen nunmehr zwischen Lärmschutzwand und (stadtabgelegenen) Parkplatz gelegen.

Auch der Militärbahnhof Rangsdorf liegt, wie die meisten Militärbahnhöfe an öffentlichen Bahnstrecken auf der „anderen“, also der stadtabgewandten Seite der Gleisanlagen. Das Empfangsgebäude findet sich versteckt am Ende eines kleinen Stichwegs „Am Bahnhof“, der vom Parkplatz an der Goethestraße abgeht. Es ist heute privatisiert und unzugänglich:

Auch in Zossen ist der Militärbahnhof stadtabgewandt gelegen; wegen umfangreicher Bauarbeiten gibt es hier nur einen unbeholfenen Fernschuss vom öffentlichen Bahnsteig aus:

Ab Zossen verlässt die KME-Streckenführung die Dresdener Bahn und führt – inzwischen stillgelegt – über die Dörfer.

Der Bahnhof Mellen(see)-Saalow ist Ausgangspunkt von Draisinenfahrten und wird als Ausflugsziel angenommen. Er hat es als einziger der Bahnhöfe dieser Strecke in den Dehio Brandenburg (2012) geschafft:

Kleiner, gut erhaltener roter Ziegelbau, 1900 von Regierungsbaumeister Meyr in sparsamen neugotischen Formen.

Das Bild zeigt die gleisabgewandte Rückseite; die Vorderseite ist oben als Startbild zu sehen.

Am Militärbahnhof Rehagen-Klausdorf wurde versucht, ein Schlafwagen-Hotel zu etablieren, auch sind Ferienwohnungen eingerichtet worden. Bei unserem Besuch wirkte die Anlage allerdings verlassen:

Auch der Militärbahnhof Sperenberg ist heute privatisiert:

Übrigens hat der Landkreis Teltow-Fläming sämtliche Relikte der KME unter Denkmalschutz gestellt, also auch diese Signalanlagen:

Weiter zum Militärbahnhof Kummersdorf (der Name erinnert mich an eine von Erika Fuchs übersetzte Donald-Duck-Geschichte von Carl Barks). Der Bahnhof ist Bestandteil einer sehr weitläufigen Anlage „Heeresversuchsstelle Kummersdorf“, die größtenteils unzugänglich ist, wo es aber ein öffentliches Museum gibt. Ein ganzer Kosmos aus militärischen Lost Places, die einen eigenen Besuch nahelegen.

Nun zum eigentlichen Militärbahnhof, der ebenfalls privatisiert ist und von einer Stiftung als Bauherrin nach Plänen eines Berliner Architekten renoviert wird. Allerdings scheinen bei unserem Besuch die Bauarbeiten nicht so recht voranzukommen; es sind aber interessante Oldtimer sowohl für die Schiene als auch für die Straße zu sehen:

Unser Weg führt uns weiter nach Schönefeld (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Standort des Berliner Flughafens). Im dortigen Militärbahnhof ist ein ambitioniertes Restaurant „Pirol“ untergebracht, das schwäbische Küche verspricht, heute aber wegen Personalmangels geschlossen ist:

In Jänickendorf sehen wir die als „schönsten Bahnhof“ ausgezeichnete Station der Reichsbahn der DDR. Das Gebäude ist nach Kriegszerstörung vereinfacht wiederaufgebaut worden. Heute ist es allerdings kein Bahnhof mehr; in der gelben Bundespost-Telefonzelle telefoniert eine Schaufensterpuppe. Humor in der trostlosen Provinz, was will man mehr?

Den nächsten Militärbahnhof Kolzenburg hätten wir unserem Navi auch ersparen können, denn er wurde in den 1970er Jahren abgerissen.

So landen wir dann nahe des Klosters Zinna am Bahnhof Werder. Hermetisch mit Schranken abgeriegelt, ist dort ein Wohnmobil-Parkplatz eingerichtet worden. Ein älterer Mann sonnt sich auf einem Liegestuhl; wir wollen nicht stören:

Schließlich kommen wir nach Jüterbog. Friedliche junge Rucksack-Menschen, die nach einem Festival chillen, belagern den Bahnhofsvorplatz. Der Militärbahnhof ist allerdings dort nicht zu finden; er ist mal wieder auf der anderen Seite.

Hier kommt Wikipedia zu Wort:

Der Militärbahnhof liegt nordöstlich des Bahnhofs der Hauptbahn auf der stadtabgewandten Seite der Gleisanlagen. Sein Empfangsgebäude ist ein dreigeschossiger gelber Ziegelbau mit zweigeschossigem Anbau mit einem Schaugiebel auf der Gleisseite und einem Treppenhausrisalit zum Vorplatz hin.

Denkmalgeschützt sind ebenfalls ein Toilettenhäuschen, ein einstöckiger Fachwerkbau, sowie ein zweigeschossiges Wohnhaus aus roten und eine Lagerhalle und der Güterschuppen aus gelben Ziegeln. Die Gestaltung des Güterschuppen greift Gliederungselemente des Bahnhofsgebäudes mit Sockeln und Bändern aus roten Ziegeln auf.

Das Bahnhofsgebäude wird privat genutzt.

Geschrieben von Benedikt Hotze

9. Juni 2024 um 23:48

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