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Berthold Burkhardt (1941–2025): Frei Otto und ICOMOS

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Der Architekt, Hochschullehrer und Aktivist Berthold Burkhardt ist am 3. Juni 2025 im Alter von 83 Jahren in Braunschweig gestorben. Zunächst lange Jahre „der zweite Mann“ am Institut für Leichte Flächentragwerke (IL) in Stuttgart hinter Frei Otto, übernahm er 1984 das Institut für Tragwerkslehre an der TU Braunschweig. Er engagierte sich energisch für eine technisch richtige Erhaltung von Bauten der Moderne – und war sich nicht zu schade, für dieses Ziel mühsame Gremienarbeit auf sich zu nehmen. Dieser persönliche Rückblick würdigt ihn anekdotisch.

Im Oktober 1984 waren wir beide „die Neuen“ an der Architekturfakultät der TU Braunschweig: er als Professor, ich als Erstsemester. Das verband uns, wir hatten einen Draht zueinander, und so wurden seine Institutsräume in der für mich neuen Welt einer Uni zu einer Art Wohnzimmer, in dem ich jederzeit auch ohne Termin und Anlass willkommen war. Auch für ihn war die neue Lebenssituation prägend: Im Gegensatz zu vielen anderen nahm er den Wohnsitz für sich und seine Familie in Braunschweig. Im Garten seines Einfamilienhauses in Braunschweig-Querum habe ich einmal mit einer Kollegin ein olfaktorisch auffälliges Beduinenzelt untersucht und dabei  den Unterschied zwischen Kette und Schuss gelernt…

Burkhardt hatte das Fach Statik, ein gefürchtetes „Rausprüf-Fach“ im Architekturstudium, von einem beinharten Bauingenieur übernommen, der komplizierte statische Fälle nachrechnen ließ. Er hingegen gestaltete die Lehre im Hinblick auf die Aufgaben angehender Architektinnen und Architekten so, dass diese ein Gefühl für die Dimensionierung von Bauteilen bekommen sollten, nicht aber die Aufgaben eines Prüfingenieurs beherrschen mussten. Konsequenterweise nannte er sein Institut auch um, aus Statik wurde Tragwerkslehre. Beim Personal nutzte er seine Berufung, um neben zwei vorhandenen Bauingenieuren (die sich von den Studenten siezen ließen) zwei eher unkonventionelle Architekten als Assistenten einzustellen.

Einer davon, Roland Dorn, wurde neben Burkhardt und mir zum Teil einer Art Task Force, die eine drohende Verunstaltung des Aschrott-Heims in Kassel von Otto Haesler (1929-31) verhindern wollte. Wir schrieben 1988 alle möglichen nationalen und internationalen Architekten mit der Bitte um Stellungnahme an und bekamen reihenweise Antworten, von Luigi Snozzi bis Julius Posener. In der Folge bekam Burkhardt vom Landesdenkmalamt einen Auftrag für ein Gutachten, wodurch zumindest die charakteristischen Stahl-Schornsteine erhalten bzw. erneuert werden konnten. Auch einer der beiden Wohnheimflügel wurde weitgehend erhalten, während der andere aufgedoppelt wurde. Unter dem Titel „Vom Bauhaus zur Pflegeversicherung“ habe ich dann später in der Bauwelt 18/2000 über die Maßnahme berichtet.

Zurück zum Studium: Burkhardt hatte schon vor dem Mauerfall Kontakte in die DDR, namentlich zum Bauhaus Dessau und damit zu Dieter Bankert. Die Beiden haben  ein Entwurfsseminar mit Studierenden der TU Dresden (Bau-Ing. und Architektur) und der TU Braunschweig (Architektur) arrangiert, das allerdings erst kurz nach dem Mauerfall zum Tragen kam. Wir haben eine Fußgängerbrücke über die Mulde entworfen, und ich lernte den Unterschied zwischen Schrägkabelbrücke und Hängebrücke. Das Seminar fand in der Woche vor der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 statt; für mich als Wessi ein prägender Kontakt zur Lebenswelt in der noch existierenden DDR – und zu massiven westlichen Einflussnahmen auf diese Wahl. Wir waren im Bauhausgebäude in Dessau untergebracht, damals noch mit den Aluminium-Fensterprofilen von 1976 ausgestattet.

Unsere Wege haben uns immer wieder gekreuzt, wir sind uns  in gegenseitiger Wertschätzung begegnet. Zuletzt hatten wir miteinander zu tun mit einigen ungereimten Renovierungsarbeiten an den klassischen Nachkriegsbauten der TU Brauschweig.

Lieber Bert, wie Sie in Ihrer Familie genannt wurden, ruhen Sie in Frieden!

Weitere Nachrufe:

FK3 | Im Gedenken an Professor Berthold Burkhardt

ICOMOS.DE trauert um Berthold Burkhardt

Geschrieben von Benedikt Hotze

20. Juli 2025 um 21:24

Abgelegt in Allgemein,Architektur

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