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Die unbekannten Architekten der DDR: Günter Reiss und Rudolf Weise

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Unser heutiger Sonntagsausflug führte uns zu zwei Bauten im ehemaligen Ostteil Berlins: zu einem spektakulären, akut abrissgefährdeten Groß-Objekt und zu einer unscheinbaren ehemaligen Postfiliale im Neubau-Wohngebiet. Beiden Bauten ist gemeinsam, das sie von bislang kaum bekannten Architekten stammen:  Günter Reiss und Rudolf Weise.

Das akut abrissgefährdete SEZ an der Landsberger Allee

Die Ausstellung „Pläne und Träume“ in der Tchoban-Foundation richtet den Blick auf DDR-Architektur. Durch die Fokussierung auf Zeichnungen und Pläne leistet die Ausstellung etwas, was bisher in der Rezeption der Ostmoderne unterbelichtet war: nämlich die Konzentration auf konkrete, namentlich benennbare Personen, auf Planverfasser, auf Architekten (leider kaum Frauen), statt auf namenlose Planungskombinate.

Im Begleitprogramm der Ausstellung hat Co-Kurator Wolfgang Kil nun in der aktuellen BaunetzWOCHE sieben Geschichten erzählt, die teilweise schier unglaublich sind: Da sind DDR-Architekten in den Knast eingefahren, weil sie einen Entwurf für eine NS-Gedenkstätte eingereicht haben – leider auf der falschen Seite der Mauer. Da haben sich junge Architekten ZE4 genannt (phonetisch: Zephyr), von denen die meisten die DDR bald illegal verlassen haben – mit dem leichten Wind nach Westen.

Einer davon war Günter Reiss. Ein junger Wilder, der nach seiner Flucht nach West-Berlin als Angestellter bei Hochtief gearbeitet hat. In dieser Funktion hat er das Sport- und Erholungszentrum SEZ an der Ostberliner Leninallee entworfen. Das durfte aber den Auftraggebern in der DDR nicht bekanntgemacht werden; so kursieren bis heute verschiedene Verfasserangaben für das SEZ – bis hin zu den Gerücht, es stamme von schwedischen Architekten oder von gmp. Letzteres wäre nicht einmal allzu abwegig, da sich hier einige Merkmale des Flughafens Tegel wie die geböschten Wandfassaden wiederfinden.

Das SEZ ist akut abrissgefährdet.

Die Ausstellung führt uns noch zu einem anderen gefährdeten Projekt: zur Postfiliale in der Schillingstraße 31 in Berlin-Mitte.

Diese von der Deutschen Post aufgegebene, 1968 errichtete Immobile war offenbar schon zu DDR-Zeiten dahingehend verändert worden, dass die ursprünglichen Glasfassaden reduziert wurden (vgl. Original-Bild in der BaunetzWOCHE). Das Objekt dient heute als gelegentliche Event-Location unter dem schönen Namen Beate Uwe; die letzte Veranstaltung dort war Anfang August 2025. Der Architekt war Rudolf Weise, der 1931-32 kurzzeitig am Bauhaus Dessau studiert hatte und 1933 von Direktor Mies van der Rohe von der Schule relegiert wurde – allerdings mit Abschlusszeugnis.

In einer früheren Version dieses Textes waren beide Objekte irrtümlich Günter Reiss zugeschrieben worden. Nach einem entsprechenden Hinweis von Wolfgang Kil habe ich dies korrigiert.

Interview mit Günter Reiss in der Berliner Zeitung (die wir wg. Holger Friedrich nicht mehr lesen)

Geschrieben von Benedikt Hotze

24. August 2025 um 22:01

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