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Gas, Wasser, Gastro: Drei unbekannte Türme im Berliner Südosten

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An einem dezembertrüben Sonntag führte uns ein Ausflug zu drei bemerkenswerten Türmen im südöstlichen Stadtgebiet von Berlin, die mir bislang unbekannt waren. Ausgelöst war die Recherche von Presseberichten über ein gestaltetes Schornsteinbauwerk der Ausflugsgaststätte „Zenner“ aus frühen DDR-Zeiten.

Heizhaus und Wirtschaftshof der Gaststätte „Haus Zenner“, 1953-55 vom VEB Projektierung Berlin

Fangen wir beim Gaswerk Friedrichsfelde am Blockdammweg 29 an. Es wurde im Kern 1913/14 von Poppe errichtet; 1918  wurden die Anlagen in den Betriebsablauf des benachbarten Gaswerks Lichtenberg II eingegliedert. Heute noch erhalten ist das Apparatehaus mit Wasserturm aus der ursprünglichen Erbauungszeit, allerdings als Lost Place.

Apparatehaus mit Wasserturm, Gaswerk Friedrichsfelde, 1913/14

Vom Gaswerk Lichtenberg II am Blockdammweg 3-27 (errichtet ebenfalls 1913/14, aber von Georg Tremus) ist kaum noch etwas erhalten. Auffallend in der Front des Blockdammwegs ist das repräsentative Verwaltungsgebäude aus der ursprünglichen Bauzeit als Mauerwerksbau mit Ziegelverkleidung. Insbesondere gilt unsere Aufmerksamkeit jedoch dem 1929 errichteten, schlanken Wasserturm von Werner Varvarowsky (andere Quelle: Bruno Schneidereit):

Achteckiger Stahlbeton-Skelettturm, verblendet mit roten Ziegeln; zwei Sockelgeschosse ungegliedert, darüber durch zurückgesetzte Wände freistehende Eckpfeiler, kleine, rechteckige Fenster, im obersten Geschoss senkrechte Fensterbänder, Höhe: 44,5 m, Form: Nachwirkung des Expressionismus“ (Zitat und Infos zu den Gaswerken aus: BusB, Teil X, Band A (2), Stadttechnik, Petersberg 2006).

Der elegante, unter Denkmalschutz stehende Wasserturm ordnet sich in eine unzählige Reihe ähnlicher Bauten aus der Zeit ein, zum Beispiel Essen-Frillendorf oder Genthin. Durch ihre höhendominante Präsenz sind diese – heute in der Regel nicht mehr benötigten – Wassertürme dennoch städtebauliche Identitätsträger.

Gaswerk Lichtenberg II, Wasserturm (1929) und Verwaltung (1913/14)

Schließlich fahren wir zur Ausflugsgastätte „Haus Zenner“ am Treptower Park. Das zu DDR-Zeiten sehr populäre Lokal wurde zuletzt für Systemgastronomie genutzt; inzwischen wird es von Privatleuten mit dem Anspruch, eine „kuratierte Kulturinstitution“ zu betreiben.  Zunächst wurde ein provisorisches „Pop-Up-Bistro“ eingerichtet. Die Gaststätten-Gebäude wurden 1953-56 von Hermann Henselmann im Stil der stalinistischen „Nationalen Tradition“ errichtet (Quelle:Landesdenkmalamt). Soweit war dies bekannt; unsere Aufmerksamkeit fällt heute auf das Heizhaus mit seinem auffälligen Turmbauwerk.

Heizhaus und Wirtschaftshof der Gaststätte „Haus Zenner“, 1953-55 vom VEB Projektierung Berlin

Die Notwendigkeit, einen Schornstein zu bauen, führte offenbar zu einer Art maritimer Turmfantasie am Spreeufer: Im Gegensatz zum neoklassischen Duktus des eigentlichen Restaurant-Gebäudes entwarf der VEB Projektierung Berlin eine Art Leuchtturm mit einer verglasten Aussichtskanzel in der Tradition der Neuen Sachlichkeit – lediglich geerdet durch stilisierte Balkenköpfe unter der auskragenden Plattform. Ein äußerst bemerkenswertes Architektur-Follie, das aus der verordneten Nati-Tradi-Doktrin der frühen DDR ausbricht. Ähnlich wie bei den Nazis, war hier offenbar für eine Industriebau-Aufgabe eine modernistische Formensprache durchsetzbar.

Die Betreiber des Zenner schreiben über das „Turmhaus“:

Das wohl wundersamste Gebäude auf unserem Gelände ist vermutlich der Turm, bei dem sich schon viele fragten, was es damit auf sich hat. Aussichtsturm, Leuchtturm, Regattaturm oder Wasserturm? Nichts von alledem! Dankbarer Weise lüftete der damalige Bauleiter Joachim Filzhut dieses Geheimnis im Jahr 2015. Bei dieser architektonischen Besonderheit handelt es sich um den denkmalgeschützten ehemaligen Schornstein des Zenner-Heizhauses, erbaut im Stil eines Aussichtsturms, um das umliegende Gartendenkmal des Treptower Parks nicht zu verschandeln. Bis 2023 wurde die Stahl-Glas-Konstruktion der Turmkanzel samt Putzfassade mit der Unterstützung des Berliner Landesdenkmalamtes sowie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz aufwändig denkmalgerecht saniert. Aber Geschichte beiseite. Zukünftig soll eine Mini-Lounge im gläsernen Turmkopf dazu dienen, unseren Musiker:innen und Künstler:innen einen intimen Raum für Interviews zu bieten. (Quelle:zenner.berlin/location)

Geschrieben von Benedikt Hotze

8. Dezember 2024 um 22:00

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