Familien, Radfahrer, Neonazis: An einem sonnigen Sonntag treffen wir am Bogensee (Gemeinde Wandlitz, Kreis Barnim im Land Brandenburg) auf regen Besucherverkehr, der sich auch nicht durch allgegenwärtige Verbotsschilder davon abhalten lässt, den Landsitz zu sehen, den sich Nazigröße Joseph Goebbels ab 1939 errichten ließ, um sich ungestört mit seiner Geliebten zu treffen. Doch das Land Berlin als Besitzer will das denkmalgeschützte Gelände abreißen, um Unterhaltskosten für den Lost Place zu sparen. Landkreis und Gemeinde halten mit einem „Abriss-Moratorium“ dagegen.
Wesentlich eindrucksvoller als Goebbels‘ spießige Liebeslaube (nach einem Entwurf von Heinrich Schweitzer unter Federführung des Architekten Hugo Constantin Bartels) sind die monumentalen Bauten der DDR-Jugendhochschule, die im Sinne der stalinistischen „Nationalen Tradition“ unter Beteiligung des Stalinallee-Architekten Hermann Henselmann errichtet wurden und die seit über zwanzig Jahren leer stehen.
Das brandenburgische Landesdenkmalamt veröffentlicht zu der Anlage diesen Auszug aus dem Dehio:
Ehem. Jugendhochschule Wilhelm Pieck. Das abgeschiedene Gelände am Bogensee zunächst 1936–49 schrittweise als Landsitz für Joseph Goebbels ausgebaut. 1946 Umnutzung der Anlage zu zentraler Schulungsstätte der FDJ. 1951–57 erhebliche Erweiterung durch Neubaukomplex, gestaltet in strengen Formen des sozialistischen Neuklassizismus nach Maßgabe Walter Ulbrichts und nach Planungen des Projektierungsbüros „Stalinstadt“ (Eisenhüttenstadt) unter Beteiligung von H. Henselmann. – Repräsentativ um eine große, rechteckige Grünfläche angeordnete, zwei- bis dreigeschossige Putzbauten mit flachen Satteldächern. Etwas erhöht gelegen das Hauptgebäude, sein Mitteltrakt mit sandsteinverkleidetem, von einem Kranzgesims abgeschlossenem Portalrisalit. An der Schmalseite gegenüber das Gemeinschaftshaus, kubischer Baukörper mit vorgelegter Kolonnade. Die vier Internatsbauten auf etwa T-förmigem Grundriss symmetrisch an den Langseiten des Areals; dieses gärtnerisch durch Treppen, Brunnen und Skulpturengruppen gegliedert. – Der Goebbels-Landsitz im Südosten mit dreiflügeligem Haupthaus, zwei Nebengebäuden und Wachhäuschen. Rustikal wirkende eingeschossige Putzbauten im sog. Heimatschutzstil, am Haupthaus markant vorgezogener Eingangstrakt mit Giebellaube.
Die eindrucksvolle Anlage steht leer, ist aber weitgehend im Original erhalten. Es finden wohl regelmäßige einfache Unterhaltungsarbeiten statt, auch einfache gärtnerische Aktivitäten sind zu beobachten. Um die Kosten für diesen Unterhalt gibt es einen bizarren Streit zwischen dem Land Berlin und den brandenburgischen Behörden. Während Berlin die Kosten loswerden will, pochen die Brandenburger zu Recht auf den bestehenden Denkmalschutz – und haben ein „Abriss-Moratorium“ verkündet. Der Tagesspiegel hat darüber kürzlich berichtet. Demnach sagte der Landrat des Kreises Barnim, Daniel Kurth: „Ohne meine Unterschrift ist ein Abriss nicht möglich.“ Abriss, sagte er laut Tagesspiegel weiter, „wäre massiv illegal“.
Doch wäre es nicht das erste Mal, dass die öffentliche Hand Abrisse gegen bestehenden Denkmalschutz durchsetzt. Was vom kleinen Bürger erwartet wird – sich an die Regeln zu halten –, interessiert das Land Berlin offenbar nicht.
Doch nun gibt es Neuigkeiten: Als Reaktion auf das Abrissmoratorium hat sich das Bundesbauministerium zu Wort gemeldet und kann sich eine finanzielle Beteiligung an einer Nachnutzung vorstellen (Bericht des Tagesspiegel vom 6. April 2024). Womöglich hat der Bund also aus dem von ihm betriebenen sinnlosen Abriss des Flughafenhotels in Schönefeld gelernt?