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Angst, Weiskern und Lila: Drei Bücher für den Sommer

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In den letzten Tagen lagen drei Bücher in meiner Badetasche, die mich mehr oder weniger gut unterhalten haben. Drei Kurzrezensionen…

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Zu „Angst“ hatte ich einen Vorabdruck gelesen, daher wusste ich, dass es um einen Stalker geht. Die Hauptfigur, ein Berliner Architekt im besten Alter, zieht mit Frau und zwei Kindern in eine Eigentumswohnung im bürgerlichen Lichterfelde. Doch bald trübt sich die Idylle; ein seltsamer, einzelgängerischer Nachbar sucht erst Anschluss und wird dann bald zum Störenfried. Er lauert der Ehefrau auf, schreibt verleumderische Briefe. Das Wohlbefinden der Familie ist schwer gestört, alle Beteiligten haben – Angst. Soweit der Vorabdruck. Ich hatte nun erwartet, dass im Buch dieses Stalking weiter beschrieben und auf die Spitze getrieben wird. Doch es beginnt da, wo der Vorabdruck aufhörte: bei der Nachgeschichte des zwischenzeitlich erfolgten Mordes an dem Stalker. Mord? Ja, als Täter sitzt der wortkarge, waffenvernarrte alte Vater der Hauptfigur in Haft, der keinen anderen Weg wusste, die Familie seines Sohnes zu schützen.

Das Buch erzählt das Stalking eher beiläufig eingestreut, dafür vertieft es sich in die Jugend der Hauptfigur und ihr Verhältnis zum konservativen Vater. Auch die Vorgeschichte seiner Ehe wird ausgelotet – das alles ist nachvollziehbar, aber auch etwas zäh. Nebenbei wird über Selbstjustiz und die Ohnmacht der Behörden gegenüber dem Stalker räsonniert. Wie man lesen konnte, war der Autor im wahren Leben selbst Opfer solcher Nachstellungen.

Wenn man dann glaubt, das Buch geschafft zu haben, kommt es am Ende zu einer bitterbösen Schlusspointe, die das ganze vorangegangene Buch im neuen Lichte erscheinen lässt; ja, es erst verständlich macht.

Dirk Kurbjuweit: Angst. Rowohlt Berlin, 2013. 256 Seiten, 18,95 Euro

 

Christoph Hein war mir zuvor als Autor nur flüchtig geläufig; als ich das Buch zur Hand nahm, vermutete ich „hohe“ Literatur, die wohl kunstvoll formuliert ist, aber keinen spannenden Plot voranbringt. Nun, damit lag ich falsch, denn die Geschichte ist durchaus gegenwärtig geerdet – auch in der Umgangssprache, die die Figuren sprechen. Und es kommt eine Menge Handlung drin vor; fast etwas viel für das Leben des routiniert abgestumpften, 59-jährigen Hochschullehrers mit der schlecht bezahlten halben Stelle. Geld hat er also nicht, als auf einmal das Finanzamt mit einer hohen Steuernachforderung an ihn herantritt. Außerdem  kommt er mit bandenmäßiger Betrugskriminalität in Berührung, ein reicher Student will ihm Geld für einen Hochschulabschluss bieten, seine junge Freundin soll ihn gefälligst in Ruhe lassen, eine absurde Mädchenbande haut ihm derweil eine Schlagkette über den Kopf, seine Kollegen und Studenten sind sowieso alle Idioten, und sein geisteswissenschaftliches Fach wird an allen Enden beschnitten, gekürzt und von Abwicklung bedroht. Bringt ja kein Geld ein. Dass er seit Jahren an einer wissenschaftlichen Prestige-Edition eines Librettisten aus dem 18. Jahrhundert werkelt, die niemand je kaufen wird, rundet das Bild nach unten ab.

Das Buch schildert einigermaßen realistisch die Lebensumstände des kreativen Prekariats, wobei man dem Helden attestieren muss, dass er durchaus noch ausreichend Geld für eine bürgerliche Teilhabe hat. Er wird im Verlaufe der Geschichte nicht sympathischer, auch nicht, als eine vorsichtige Klasse-Frau hinzutritt, die er wohl gerne für sich gewänne…

Einige Details sind unglaubwürdig; so vergibt kein einzelner Dozent im Alleingang Hochschulabschlüsse, und die Finanzamtsforderung ist auch unplausibel. Aber der Konflikt zwischen „Geld haben und dafür was Doofes machen“ und „Kein Geld haben, aber was Edles, Hilfreiches und Gutes machen“ ist recht gut austariert. Fazit: Kurzweiliges Stimmungsbild.

Christoph Hein: Weiskerns Nachlass. Suhrkamp Verlag Berlin, 2011 (Taschenbuchausgabe 2012). 318 Seiten, 9,99 Euro

 

Ein nicht gerade besonders heller Kellner will eine attraktive Studentin auf sich aufmerksam machen. Er hat in einem alten Nachttisch vom Trödler ein Romanmanuskript aus den Fünfzigerjahren gefunden. Er scannt es ein und setzt, einer Laune folgend, seinen eigenen Namen darunter. Dann gibt er den Text der Studentin. In dem Glauben, er sei der Autor dieser perfekten Liebesgeschichte, wendet sie sich tatsächlich ihm zu und wird zu seiner Freundin. Als sie schließlich hinter seinem Rücken das Manuskript einem Verlag anbietet, der das Buch groß herausbringt, ist es für ihn zu spät, den Schwindel aufzuklären. Er muss wohl die – hier nur mäßig überzeichneten – Gepflogenheiten des Literaturzirkus mitmachen, wenn er die Frau nicht wieder verlieren will. Lesereisen, Fernseh-Interviews, Buchmessenbesäufnisse – nichts wird ausgelassen. Doch dann taucht ein seltsamer Alter auf, der mehr über das  Manuskript zu wissen scheint und sich von unserem Literatur-Star nicht mehr abschütteln lässt. Jetzt ist der Held endgültig in der Katastrophe angekommen…

Wie bei Martin Suter gewohnt, ist die Geschichte bis in die Details glänzend recherchiert und spannend inszeniert. Ein herrliches Buch, das mit Daniel Brühl als schriftstellerndem Kellner und Henry Hübchen als versoffenem Prahlhans kongenial verfilmt wurde.

Martin Suter: Lila, Lila. Diogenes Verlag, Zürich, 2004 (Taschenbuchausgabe 2009). 356 Seiten, 19,90 Euro

Geschrieben von Benedikt Hotze

30. Juli 2013 um 19:49

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