Von einem ungewöhnlichen bürgerschaftlichen Engagement ist hier zu berichten: Ein ursprünglich aus Niedersachsen stammender Architekt ist in Brandenburg an der Havel ansässig geworden und hat dort eine Reihe von Bauvorhaben verwirklicht, besonders im Bereich Altbausanierung und Denkmalpflege. Zum 20-jähigen Bürojubiläum gibt er einen hervorragend gemachten Architekturführer heraus, mit dem er „seiner Stadt“ etwas zurückgeben möchte. Wir sind mit diesem Führer einen Sonntag lang durch diese Stadt gestreift.
Brandenburg an der Havel hatte das größte Stahlwerk der DDR. Brandenburg an der Havel hat eine mittelalterliche Innenstadt, die aus dem Dreiklang Altstadt, Neustadt und Dominsel besteht. „Zur Wende 1989 wies der historische Stadtkern einen faszinierend vollständigen historischen Baubestand in einem katastrophal baufälligen Zustand und eine völlig verfallene Infrastruktur auf“, heißt es im vorliegenden Band zutreffend. Baulücken, Ruinen, leere Fensterhöhlen, dazu die Demontage des Stahlwerks mit der Zerstörung der charakteristischen Schornsteinfront. Etwa in dieser Zeit ist der Architekt Achim Krekeler aus Hannover nach Brandenburg gekommen und hat 1994 sein Büro gegründet: Dr. Krekeler & Partner Architekten. Zugegeben: Diesen Namen hatte ich bislang noch nicht gehört.
Aber mit dem soeben erschienenen Architekturführer über Brandenburg an der Havel hat Krekeler als Herausgeber (und wie man annehmen darf: als Financier) alles richtig gemacht: Er hat ausgewiesene Fachleute – einen Kunsthistoriker und einen Fotografen – beauftragt, das Buchprojekt zu verwirklichen und damit eine Lücke zu füllen. Auch wenn die Projekte des Herausgebers hier natürlich auch erwähnt werden, ist es eindeutig keine als „neutral“ getarnte Werbeveröffentlichung geworden.
Brandenburg heute: Das Ortsbild hat sich gegenüber den frühen neunziger Jahren drastisch gewandelt. Kaum noch Baulücken, kaum noch Ruinen. Vielmehr machen die Innenstadt, aber auch die Stadterweiterungsgebiete des 19. und 20. Jahrhunderts einen „durchsanierten“ Eindruck. An diesem schönen Frühherbst-Sonntag ist durchaus Leben auf den Straßen, wobei viele Tagestouristen darunter sein dürften.
Wir haben das Buch dabei und gehen einen lockeren Parcours ab. Die Machart des Führers ist untadelig: Die neuen, geradestehenden Architekturfotos sind eine Freude, die Auffindbarkeit ist durch nummerierte Schwarzpläne in den Buchklappen gewährleistet. Einige winzige Ungereimtheiten, etwa bei Jahreszahlen oder Architekten-Zuordnungen, schmälern den guten Eindruck nicht. Dieser Architekturführer ist uneingeschränkt zu empfehlen.
Architektur – Brandenburg an der Havel
Architekturführer – 150 bedeutende Bauten der Stadt an der Havel 168 Seiten, 244 x 140 x 1 cm, 19,80 Euro
ISBN-10: 3000464476
ISBN-13: 978-3000464478
Seit Jahren steht der Eisenbahnwasserturm am Hauptbahnhof leer und verkommt. Nicht nur von der Bahn aus, auch von der Stadt ist er ein markanter Hochpunkt. Erbaut laut Führer 1935/40, vereint er eine nüchterne Backstein-Moderne mit zeittypischen, angedeutet klassizierenden Würdeformeln.
Alle Fotos: Benedikt Hotze, 6. 10. 2014
Das Wohlfahrtsforum von 1929/30 gehört laut Führer „zu den Hauptwerken der klassischen Moderne im Land Brandenburg“.
Das Stadtbad habe ich im Gegenlicht erwischt. Es ist 1929/30 in einem Zuge mit dem Wohlfahrtsforum errichtet worden. Seit 2000 ist es geschlossen; die Inneneinrichtung soll original erhalten sein. Zur Zeit werden die Freianlagen neu gestaltet.
Am Salzhof ist die gründerzeitliche Torsituation an der Havelbrücke saniert worden.
Das Eckhaus Am Rosenhag (um 1930 von Werner Schenck) stand jahrelang leer, bis es vorbildlich renoviert wurde. Leider ist das Café im Erdgeschoss seit Mitte 2014 schon wieder geschlossen – es macht „eine kreative Pause“.
Die denkmalgeschützte Zentrale des Konsumverein „Vorwärts“ von 1930 steht in weiten Teilen leer. Der Führer erkennt in dem Ensemble „ein Hauptwerk des Neuen Bauens in der Stadt Brandenburg“.
Die kleine katholische Kirche von 1934 steht in einer Arbeitersiedlung von 1919/20 in der Nähe des Stahlwerks
Das evangelische Pendant von dem berühmten Kirchenbaumeister Otto Bartning (1929) ist zur Zeit teilweise eingerüstet. Der Führer sieht darin ein „herausragendes Beispiel eines Kirchenbaus der klassischen Moderne im Land Brandenburg“.
Nun befinden wir uns in der Altstadt. Das „Wohnhaus mit Contor“ hat Bruno Möhring 1901/02 erbaut, es ist „eines der Hauptwerke des Jugendstils im Lande Brandenburg“.
Nördlich der Dominsel befinden sich zwei Villen von Leo Nachtlicht. Diese hier, Villa Kähne, wird im Führer mit „1920/25“ datiert, was nicht ganz plausibel erscheint. Die Bauweise deutet eher auf die späten zwanziger Jahre hin.
Die Villa Tiede wird – nachvollziehbar – mit 1912/13 angegeben.
Neustadt und Altstadt werden mit der Jahrtausendbrücke von 1994/95 verbunden. Im Hintergrund die Friedenswarte auf dem Marienberg von 1974, errichtet zum 25. Jahrestag der DDR. Co-Architekt Günter Franke „gehörte maßgebend zum Kollektiv für den Fernsehturm am Alexanderplatz“, weiß der Führer.
Die internationale Regattastrecke wurde 1967/68 von Hartmut Töpel entworfen. Das Restaurant hat eine beeindruckend weit auskragende Hyparschale.
Beim Verlassen der Stadt kommen wir noch am Krematorium vorbei, 1925/26 von Moritz Wolf.