Ein heftiger Reflex zuckt derzeit durch die Web-2.0-Gemeinde: Man kann sich nämlich jetzt Fragen stellen lassen. Oha! Notfalls auch: sich heimlich selbst welche stellen und diese dann praktischerweise auch gleich selbst beantworten. Das Ganze läuft bei formspring.me.
Die Älteren [tm] unter uns kennen vielleicht noch den Fragebogen des schon lange verblichenen FAZ-Magazins, den angeblich Mark Twain gleich zwei Mal in seinem Leben ausgefüllt haben soll. Genau, den. Solche Fragebögen kann man jetzt selbst generieren. Und dabei berühmt werden – jedenfalls für 15 Minuten. Oder 15 Tage.
Beispiel: Die freiberufliche Starnberger Werbetexterin Lilian Kura, bei Twitter besser bekannt als @textzicke, will jedenfalls seit Tagen nicht mehr ohne Formspring leben. In ungeschützter Offenheit erläutert sie hier öffentlich ihr Lebensmodell und ihre Geschichte; sie erzählt vom Gatten und vom Vorgeliebten, von ihren Kindern und Auftraggebern. Sympathisch, dicht und eben auch: völlig distanzfrei zu sich selbst. Genau das macht den Reiz der Formspringerei aus.
Neues Beispiel: Bei der letzten twitteraffinen Lesung „jourfitz„, einer Art Kneipenhappening in Berlin, habe ich zwei Gäste gesichtet, die sich offenbar nicht direkt der Lesung verpflichtet fühlten. Formspring.me war das angemessene Medium, sie dafür zur Rede zu stellen. Frage an @katjaberlin:
Hast du beim letzten #jourfitz die Nähe von @saschalobo gesucht?
ja. aber nur, weil er neben dem bier stand, dessen nähe ich eigentlich suchte.
Der Gegenpart Sascha Lobo wurde so befragt:
Warum warst du beim #jourfitz zwar anwesend, hast aber den lesungen nicht zugehört?
Weil mir in diesem Moment der soziale Teil dieser Veranstaltung wichtiger war als der inhaltliche.
Wir lernen daraus: Formspring.me ist etwas Soziales. Wer wollte etwas dagegen haben?
Achja: Ich habs übrigens auch mal versucht. Mir haben sie nur vier Fragen gestellt. War also nix mit den 15 Minuten Berühmtheit.