Erich Mendelsohns Hutfabrik hat den Ortsnamen Luckenwalde für alle Zeiten in die internationale Architekturgeschichte einbeschrieben. Das schrumpfende Städtchen südlich von Berlin hat aber noch mehr aus der Epoche der klassischen Moderne zu bieten. iPhone-Knipsfotos als Ausbeute einer Zwei-Stunden-Stippvisite am Sonntagnachmittag…
Friedrich-Ebert-Schule (bauzeitlich: Hindenburg-Schule) und Stadttheater in der Theaterstraße bilden ein klassisch modernes Ensemble aus den Jahren 1927 bis 1930, entworfen von Paul Backes, Rudolf Brennecke und Hans Graf, restauriert 1993-97. Sicherlich das eindrucksvollste Gebäude des Neuen Bauens in Luckenwalde neben der Hutfabrik.
Links im Bild der Bunker „Salzgitter“ von 1944, der ebenfalls unter Denkmalschutz steht.
Gegenüber der Schule liegt das ehem. Katasteramt (Theaterstraße 16d), 1928/29 von Paul Backes. „Expressionistische Details“, attestiert der Dehio. Ich finde den Bau schwer.
Kommen wir zum Siedlungsbau des 20. Jahrhunderts: Die Siedlung „Am Anger“, errichtet um 1920 von Josef Bischof unter Mitarbeit von Richard Neutra, der damals im Bauamt Luckenwalde beschäftigt war. Seinen Luckenwalder Friedhof habe ich dieses Mal nicht besucht. Der Dehio mäkelt über „Am Anger“: „Konservative Formen des Heimatschutzstils, dörflichen Strukturen angenähert“. Ich finds gut, vor allem die Dächer, die zwischen Zollinger und Tonne changieren…
Siedlung Upstallweg von Erich Mendelsohn, 1919/20. Trotz der wiederhergestellten expressiven Farbigkeit wurden Plastetüren und -fenster aus dem Baumarkt verbaut. Die Siedlung war ursprünglich wesentlich größer geplant.
Die Volksheimsiedlung von 1928-32 von Willy Ludwig ist ein echtes Luckenwalder Highlight. Gewerkschaften waren Träger des Projekts, in das alle verfügbaren Hauszinssteuern der Stadt dieser Jahre gelenkt wurden – so sagt es die Tafel an den Häusern. Sanierung ab 1998; erkennbar ist, dass die Loggien denkmalgerecht verglast wurden.
Das Wohnhaus Dr. Küster von 1926 ist ein nobles expressionistisches Haus an der Theaterstraße 16a und als Einzeldenkmal geschützt.
Die Villa in der Gartenstraße 9b sieht am Sonntag ungenutzt aus, ist es aber nicht. 1933-34 von W. Kurras, 1936/37 aufgestockt
Das ehemalige Arbeitsamt von Paul Backes (1929) sieht wie ein Wohnhaus aus. Noble expressionistische Details, im Original erhalten (Große Weinbergstraße 42)
Ein leergefallener DDR-Bau neben dem Stadtbad…
Das Stadtbad des mit Siemens verbundenen Architekten Hans Hertlein von 1928 steht leider immer noch leer.
Auf dem Weg zur Hutfabrik fällt noch die Wohnsiedlung „Auf dem Sande“ auf, 1919-28 von Josef Bischof
Die Hutfabrik (Industriestraße 2a) wurde 1921/23 von Erich Mendelsohn errichtet. Die Besitzer mussten 1933 emigrieren und verkauften die Fabrik. Ab 1935 diente sie den Nazis zur Produktion von Luftabwehrwaffen. Im zweiten Weltkrieg wurde der charakteristische Hutaufsatz der Färberei, der zur Lüftung diente, abgerissen, um die Fabrik nicht zum Ziel von Bombenangriffen zu machen. In der DDR diente das Werk einem Wälzlagerkombinat, seit 1991 steht es leer. Der Hutaufsatz wurde 2006-11 in einer eher ruppigen Bauweise mit einer Dachpappen-Deckung rekonstruiert.
Peter Scheunemann
23. Okt 18 um 18:37
1942 in Luckenwalde geboren, war 6 Jahre in der Schule mit Theater und bin begeistert, diese Fotos aus meiner Heimatstadt genießen zu können / sie entdeckt zu haben. Danke auch für Ihre Ergänzungen. Wo finde ich weitere Architekturaufnahmen von Ihnen?
Bleiben Sie gesund und schaffensfroh!
Peter Scheunemann
Jochen
8. Sep 17 um 09:08
Luckenwalde wird allerdings unterschätzt, auch die schön gemischten Idustriequartiere sind leider völlig untergenutzt. Bitte bei Gelegenheit mal die Bilder umdrehen!
Benedikt Hotze
9. Sep 17 um 06:11
Die umgedrehten Bilder sind leider ein Problem zwischen iOS und WordPress, das ich nicht lösen kann. Falschrumme iPhone-Fotos lassen sich selbst durch Umdrehen in WordPress nicht „drehen“…