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Liebe Mutter – (m)eine kleine berufliche Autobiografie

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Liebe Mutter,

du hast mich gebeten, dir einmal aufzuschreiben, wie ich vom Architekturstudium zu meiner Berufstätigkeit als Journalist gekommen bin – oder als Architekturvermittler, Architekturkritiker, Redakteur, Pressereferent… Der Bezeichnungen gibt es viele, such dir eine aus. Ich habe mich gelegentlich selbstironisch als „Schreiberling“ bezeichnet. Nur „Architekt“ darf ich mich nicht nennen, denn dieser Begriff ist berufsrechtlich geschützt, und ich erfülle trotz des abgeschlossenen Architekturstudiums die Voraussetzungen nicht, ihn zu führen. Das stört mich aber keineswegs, denn ich habe einfach einen anderen Weg eingeschlagen. Und davon möchte ich dir hier berichten.

Mein erster bezahlter Artikel: Ausriss aus Bauwelt 22/1989

Den Auslöser meiner Abweichung vom Hauptstrom des Architekturstudiums lässt sich ziemlich genau verorten: Es war die Casa Bianchetti in Locarno-Monti, die der Architekt Luigi Snozzi 1975-77 errichtet hatte. Als wir Studenten dieses Haus im Frühjahr 1989 im Rahmen einer Exkursion des Snozzi-Ateliers der EPFL in Lausanne besucht haben, fielen uns in unmittelbarer Nähe des Hauses dünne Holzgerüste auf, die in der Schweiz aufgestellt werden, um den Anwohnern die Dimensionen eines geplanten Neubauvorhabens im Maßstab 1:1 zu visualisieren. Diese im Volksmund „Antennen“ genannten Gerüste bedeuteten also, dass die ikonische Villa von Neubauten bedrängt werden sollte.

Empört habe ich gleich die Redaktion der von mir abonnierten „Bauwelt“ angerufen, um diesen Skandal zu melden. Die Bauwelt bat mich zu meiner Überraschung, selbst einen Text für die Glossenseite „betrifft“ zu schreiben. Mein Manuskript „Antennen im Tessin“ wurde 1989 ohne jegliche redaktionelle Änderung auf anderthalb Spalten gedruckt. Damit hatte ich meinen ersten bezahlten Artikel untergebracht. Ich war stolz wie Onkel Dagobert über seinen ersten selbstverdienten Taler.

Nach dem Ende meines Studienjahrs in Lausanne gab mir mein Assistent am Snozzi-Lehrstuhl, Walter A. Noebel, unter Bezug auf diesen Artikel mit auf den Weg: „Schreiben kannst du besser als entwerfen!“ Daran sollte ich mich fortan halten.

Gleichwohl ging ich zurück nach Braunschweig, um mein Architekturstudium abzuschließen. Nach dem Motto „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ traf ich dort auf das Wahlpflichtfach „Architekturkritik“, das der Berliner Architekturkritiker Falk Jaeger als Lehrbeauftragter gab. Ich wurde sein gelehrigster Schüler, und nach Ende des Seminars gab er mir einen Stapel Bücher zur Rezension und vermittelte den Kontakt zum „Tagesspiegel“ in Berlin, wo meine Rezensionen dann in der Sonntagsausgabe gedruckt wurden. Für Falks selbstlose Unterstützung in dieser entscheidenden Phase werde ich ihm immer dankbar sein!

Denn damit rutschte ich auf einmal in die Journalistenszene Berlins. Spätestens seit ich 1992 eine zweite kleine Wohnung in der Schöneberger Mansteinstraße bezogen hatte (und fortan mit der überfüllten Reichsbahn zwischen Braunschweig und Berlin pendelte), wurde ich dort als Journalistenkollege vor Ort ernst genommen. Der Tagesspiegel (in Person der Feuilleton-Assistentin Angela Heuser) buchte bei mir Berichte vom damals enorm wichtigen Stadtforum des Stadtentwicklungssenators Volker Hassemer, andere Redaktionen (darunter ZEIT, Süddeutsche und FAZ) beauftragten mich gelegentlich, und jede Veröffentlichung zog zwei weitere Anfragen nach sich. Die Chefredakteurin der BDA-Zeitschrift „der architekt“, Ingeborg Flagge, ernannte mich gar zum „Berlin-Korrespondenten“ des damals noch in Bonn ansässigen Blattes. Als Immer-noch-Student war ich auf einmal zur Ich-AG des Architektur-Journalismus geworden.

Das dritte Schlüsselereignis war das erste Reichstagskolloquium 1992. Dort lernte ich eine junge Redakteurin der „Neuen Zeit“ kennen, der ehemaligen Parteizeitung der DDR-CDU, die wenig später von der FAZ geschluckt wurde. Nach einem weinseligen Abend beauftragte Claudia mich mit einigen Buchrezensionen. Der damalige Bauwelt-Redakteur Wolfgang Kil, der als gelernter Ostdeutscher dieses Blatt las, zeigte meine Rezensionen den Bauwelt-Kollegen. Der stellvertretende Chefredakteur Felix Zwoch meinte: „Das hätte er auch bei uns schreiben können!“ und rief mich an.

Dieser Anruf erreichte mich im Frühjahr 1993 in meinem Zeichensaal in der TU Braunschweig, wenige Tage vor Abgabe meiner Diplomarbeit. Felix‘ Ansage war legendär: „Erstens, ich sage jetzt du zu dir, und zweitens, fängst du nächste Woche bei uns an?“

Natürlich wollte ich nach den Strapazen des Diploms erstmal mindestens ein halbes Jahr Urlaub machen, aber nach einem eilig einberufenen Beratungs-Abend mit meinem Freund Hermann in der Braunschweiger Kneipe „Vier Linden“ sagte ich am nächsten Morgen zu. 

So begann ich im April 1993 meine reguläre Berufstätigkeit als Redakteur bei der Bauwelt, die damals zum Bertelsmann-Konzern gehörte. Gehälter über Tarif, überdurchschnittliche Urlaubsansprüche, 13,5 Monatsgehälter, Betriebsrente, Presseversorgungswerk, Gewinnbeteiligung… Ich war in einer anderen Welt angekommen, allerdings – ohne es zu wissen – in der Endphase der „Deutschland AG“ gelandet. Denn diese Welt sollte im Medienbereich sehr bald schon komplett der Vergangenheit angehören.

Doch erst einmal lief es gut, auch noch, als drei Jahre später etwas Neues kam: das Internet. Bertelsmann bündelte seine Unternehmen der Baufachinformation in einem neuen Portal, BauNetz. Ein kluger Konzernmensch, Matthias Krups, hatte vorgegeben, dass die neue Plattform auch eine eigene Redaktion haben sollte. Die Bauwelt wurde angewiesen, die freiwerdenden Räume in der Etage unterhalb ihrer Redaktion in der Berliner Schlüterstraße anzumieten und einen Redakteur dafür abzustellen. Mein Chefredakteur Peter Rumpf kam, mit dem Fax wedelnd, zu mir und sagte: „Es ist Ihnen ja wohl klar, dass Sie damit gemeint sind!“ Vielleicht war er auch froh, mich loszuwerden…

Ein Schnappschuss aus der ersten (nicht der allerersten) Zeit von BauNetz, August 1997: Manuela Schubert, Thomas Görlich, Katrin Voermanek, Anne Thieme, Stefan Rethfeld, Roselien Huisman

Für mich begannen 1996 die spannendsten Jahre als Gründungs-Chefredakteur von BauNetz. Meine Idee war, ein diskursives und investigatives Architektur-Magazin in das neue Medium Internet zu übertragen. Dazu holte ich, im Sommer 1996 allein auf 380 Quadratmetern sitzend, zunächst meine ehemalige, etwas jüngere Kommilitonin Katharina Matzig, die damals noch Kathrin Mütter hieß, als Redakteurin. Zu zweit warteten wir auf den von Bertelsmann angekündigten so genannten „Champion“, den Gründungs-Geschäftsführer. Als dieser schließlich in Person von Frank Mirko Meurer eintraf, konnten wir den Redaktionsbetrieb mit vier Studierenden der TU Berlin als feste freie Mitarbeiter starten. BauNetz ging im Herbst 1996 online.

Schnappschuss mit Winy Maas (links), Februar 2000

Mirko war auch etwas jünger als ich und Betriebswirt, und als solcher kann er alles außer Fachliches. Doch er hatte die Größe, die Expertise seiner Redaktion immer anzuerkennen. Er hat uns gefordert und gefördert. Das Unternehmen hat schnell den geplanten Break Even erreicht. Leider hat Mirko uns schon drei Jahre später zugunsten anderer Herausforderungen verlassen. Er engagiert sich bis heute in Köln für Kunst und Architektur. 

Liebe Mutter, ich will dich jetzt nicht langweilen mit geschäftstechnischen Details. Im Nachgang der so genannten ersten Internet-Krise um das Jahr 2000 herum hat auch mein Unternehmen Personal abgebaut. Außerdem wurde es mehrfach an Finanzinvestoren verkauft. Ich wurde als Honorarkraft mit einem Dienstleistungsrahmenvertrag weiterbeschäftigt. Doch die von der damaligen Geschäftsführung forcierte Ausrichtung als „Wohlfühlplattform“ der Architektur-Community hat mir nicht geschmeckt: Jährliche Segel-Events wurden wichtiger als kritischer Journalismus. Zum Ende des Jahres 2014 bin im Einvernehmen ausgeschieden. Mit den heutigen Kolleginnen und Kollegen dort verstehe ich mich allerdings bestens.

So bin ich zum Jahresbeginn 2015 mit fünfzig Jahren noch mal eine berufliche Veränderung eingegangen: Ich bin gefragt worden, als Referent für Presse beim Bundesverband des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten BDA in Berlin einzusteigen, was ich nunmehr im siebten Jahr gut auszufüllen versuche. 

Manche fragten mich, ob ich es denn nicht bedauere, nicht mehr als Journalist tätig zu sein (ganz analog zu der Frage, die ich vor 30 Jahren immer hörte: ob ich es denn nicht bedaure, nicht als Architekt zu arbeiten). Die Antwort ist ganz klar: Da wir beim BDA die selben Werte vertreten, wie ich sie als Journalist stets hochgehalten habe, mag es zwar formal als Seitenwechsel gelesen werden, aber für mich hat sich inhaltlich rein gar nichts geändert.

Meine Auffassung vom Berufsleben ist das einer Werteorientierung, und dieser Auffassung kann ich heute bestens nachkommen, auch wenn ich damit sicher nicht reich werde.

Mit ganz herzlichen Grüßen,

Dein Sohn Benedikt

Geschrieben von Benedikt Hotze

29. April 2021 um 23:36

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