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Feuerwachtürme in der DDR: Stasi und NVA wachten mit

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Heute fiel mir wieder ein schlanker, 30 Meter hoher Turm an der B1/B5 bei Hoppegarten östlich von Berlin auf. Schon immer war da die Frage, wozu diese im Gebiet der ehemaligen DDR offenbar nach Typenentwurf errichteten Türme dienen sollten. Verkehrsüberwachung der Einfallstraßen in die Hauptstadt? Das war die Vermutung. Doch es sind Feuerwachtürme. Zumindest sind sie unter diesem Vorwand errichtet worden…

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Gipfel des Wietkiekenberges bei Ferch (Brandenburg) mit Feuerwachturm. Foto: Lienhard Schulz, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license

Ein Feuerwehrforum weiß:

In der DDR wurde der Feuerwachturm weiterentwickelt. Baumeister Marusch aus Hoyerswerda baute die noch heute typische Feuerwachturmform Typ Hoyerswerda aus Beton und Stahl. In der Kanzel befand sich eine Scheibe mit einer 360°-Einteilung und einer Peileinrichtung. 

Das Bundesarchiv verwaltet den Nachlass von Karl Marusch, der offenbar Anfang der sechziger Jahre diesen „Feuerwachturm System Baumeister Marusch, Hoyerswerda“ entworfen hat. 130 Stück soll es davon gegeben haben.

Ausgerechnet in einem Modelleisenbahn-Forum findet sich eine plausible Schilderung, dass diese Türme auch für militärische Zwecke gedient haben. Stichwort: Tiefflieger-Abwehr.

Mein Vater war zu Beginn der 80er Jahre Kommandant einer Fla-Rak-Batterie in Mecklenburg. Seiner Aussage nach wurden diese Türme nicht nur zum Zwecke der Waldbranderkennung aufgestellt, sondern sollten auch ein flächendeckendes Netz zur Beobachtung und Verfolgung von Tieffliegern bilden. Besonders ab den 60er/70er Jahren mußte damit gerechnet werden, dass Luftangriffe bemannter Flugzeuge hauptsächlich aus dem Tiefflug heraus erfolgen würden, um der Erfassung der engmaschigen Radarüberwachung zu entgehen. Ausserdem wären hochfliegende Flugzeuge zu stark durch Luftabwehr-Raketen und radargesteuerte Luftabwehr-Artillerie gefährdet (wie der Vietnam-Krieg und die Kriege in Nahost; 6-Tage-Krieg und Jom-Kippur-Krieg bewiesen). Ausserdem wurden in Westeuropa (Jaguar, Tornado) und den USA (F-111, A-10 Thunderbolt, B-1) spezielle Kampfflugzeuge mit besonders guten Tiefflugeigenschaften entwickelt.

Da die Nord-Vietnamesen gute Erfahrungen mit engmaschigen Netzen aus Beobachtungsposten gemacht hatten, wurde auch in der DDR beschlossen, ein solches Netz aus Beobachtungspunkten aufzubauen. Die anzufertigenden Türme waren genormt und konnten in rationeller Massenfertigung hergestellt werden. Sie ließen sich vorzüglich als zivile Beobachtungstürme für die Entdeckung von Waldbränden nutzen und konnten so leicht mit zivilen Zwecken begründet werden.

So jedenfalls die Erklärung meines Vaters zu diesen Türmen, von denen viele noch stehen.

Eine lapidare Antwort darauf im selben Forum:

 Wundert mich nicht, dass ein militärischer Grund vorlag und man dem Volk irgendeinen Scheiß erzählt hat …

Nicht nur die NVA, sondern auch die Stasi war scharf auf die Türme. In der Sächsischen Zeitung wird der Fall eines Stasi-Opfers berichtet:

Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr: Der Feuerwachturm an der B101 zwischen Gävernitz und Ockrilla wurde von der Stasi als Beobachtungspunkt genutzt. Den Beweis lieferte dieser Tage Johannes Riedrich (82) mit Auszügen aus seiner mehr als 1000 Seiten umfassenden Stasi-Akte.

Allerdings hatten die Stasi-Leute keinen unbeschränkten Zugriff. Wie in einer Bürokratie üblich, mussten sie sich erst eine Genehmigung holen:

Die Genossen mussten sich jedesmal in der Bezirksdirektion Straßenwesen in Dresden den Schlüssel holen. Auch das geht aus den Beobachtungsprotokollen hervor.

Für die Waldbrandbeobachtung muss übrigens heute kein echter Mensch mehr auf die Türme, die im Wind bis zu 75 cm in der Spitze schwanken (andere Quelle: 30 cm bei Windstärke 10): Das machen heute automatische Kameras.

Geschrieben von Benedikt Hotze

21. April 2014 um 01:12

Abgelegt in Allgemein,Architektur

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