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Panoramafreiheit – eine Anmerkung zu Google Street View

1 Kommentar

Dieses Haus des polnischen Avantgarde-Architekten Karol Schayer, erbaut 1936, habe ich am 15. August 2009 in Kattowitz fotografiert (siehe dazu die BauNetzWoche#144 „Kattowitz – Das Zentrum der polnischen Moderne“). Als ich mit meinem Fotoapparat unübersehbar vor dem Haus stand, kam eine gut gekleidete Bewohnerin in feindseliger Haltung auf mich zu und beschimpfte mich. Erst als sie in meiner Antwort das Wort „Architektur“ verstand, wurde sie schlagartig freundlich und ließ mich gewähren. Die Bewohnerin hatte also offenbar etwas dagegen, dass irgendein Hergelaufener ihr Haus fotografiert. Erst, als der Fotograf ihr einen plausiblen Grund für sein Tun nennen konnte, war sie beruhigt. Wir vermuten, dass diese Bewohnerin auch ihr Haus bei Google Street View verpixeln lässt – sofern sie in Polen die selben Einspruchs-Möglichkeiten genießt, die Google (gönnerhaft? notgedrungen?) deutschen Hausbewohnern einräumt.

Klar, ich hätte ein Dieb sein können, der auf der Suche nach passenden Einbruchsgelegenheiten ist. War die Intervention der Frau nun Zivilcourage oder Hysterie? Ich vermag es nicht zu entscheiden, und ich muss es glücklicherweise auch nicht. Denn – zumindest im deutschen Inland – hat der Gesetzgeber bereits vor über 100 Jahren die Frage geregelt, ob man Häuser vom öffentlichen Straßenland aus fotografieren und diese Bilder veröffentlichen darf. Die Antwort lautet schlicht und ergreifend: Ja, man darf. Jeder darf. Auch Google.

Im Urheberrechtsgesetz heißt es:

§ 59
Werke an öffentlichen Plätzen

(1) Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.

Die damit geregelte Sache, genannt „Panoramafreiheit“, betrifft also zunächst nur urheberrechtlich geschützte Gebäude, wobei die Frage nicht weiterhilft, welche Gebäude(fassaden) nun die dafür notwendige Schöpfungshöhe aufweisen und welche nicht. Um diesen Konflikt aus dem Weg zu schaffen, hat der BGH…

… in der Entscheidung Friesenhaus klargestellt, dass es kein Recht am Bild der eigenen Sache gibt, das über die Befugnisse des Eigentümers hinausgeht, anderen den Zugang zu ihr zu verwehren. Man darf also ein Gebäude in Privatbesitz von einem öffentlichen Weg aus unbedenklich fotografieren und die Aufnahmen kommerziell verwerten. (Wikipedia)

Der Hinweis auf die Panoramafreiheit ist mir als Architekturfotograf in der Praxis also eine wertvolle Argumentationshilfe gegenüber misstrauischen Hausbewohnern, die Anstoß an meinem Fotoapparat nehmen. Was ich in Anspruch nehme, werde ich Google wohl kaum verweigern können. Oder?

Die Unterschiede zwischen meinen vereinzelten Fotoknipsereien und einer systematischen Erfassung aller Straßenfassaden à la Google mögen auf den ersten Blick evident sein. Auch ist die recherchierbare Verknüpfung von Postadresse (personenbezogenes Datum!) mit einer Hausansicht ein anders zu bewertender Vorgang als eine isolierte Veröffentlichung einzelner Fassadenansichten. Die Frage ist nur: Wo ist die Grenze, die das eine zulässig macht (Panoramafreiheit!), das andere aber verbieten will (Datenschutz!)?

Treiben wir es einmal auf die Spitze: In der genannten Publikation BauNetzWoche#144 habe ich einen systematischen Architekturführer über die Avantgardearchitektur der 30er Jahre in Kattowitz angelegt. In einigen bestimmten Straßenzügen sind dafür nahezu alle Häuser erfasst worden – mit Foto, Adresse, Baujahr und Lage im Stadtplan. Auch wenn dies nicht eine polnische Stadt beträfe, sondern eine, in der deutsches Recht gilt, dann würde ich mein Vorgehen dennoch für zulässig und von der Panoramafreiheit abgedeckt halten. Einen substantiellen Unterschied zu Google Street View vermag ich da nicht zu erkennen. Außer, dass Street View um ein Vielfaches faszinierender ist als meine Architekturbildchen.

Seit Tagen surfe ich durch den Dienst und habe bereits meine alte Uni in Lausanne, unser ehemaliges Ferienhaus an der Côte d’Azur und das schöne alte Hotel in Paris besucht, wo ich nach dem Abi war. Fazit: Es wird Zeit, dass Google Street View auch für Deutschland kommt.

Geschrieben von Benedikt Hotze

4. September 2010 um 13:10

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1 Kommentar zu “Panoramafreiheit – eine Anmerkung zu Google Street View”

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  1. lana74

    4. Sep 10 um 13:44

    .. und immer wieder lese ich gerne fundamentierte Meinungen. Danke!

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