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Adolf Sommerfeld/Andrew Sommerfield: Bauen für Berlin 1910-1970

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Die Geschichte der modernen Architektur wird hier einmal nicht als Architektenbiografie erzählt: Ein spannendes Buch stellt den ungewöhnlichen Bauunternehmer Adolf Sommerfeld (1886-1964) vor. Er war sozial, kunstsinnig und nicht zufällig mit Walter Gropius befreundet.

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Dieser Mann ließ die ersten modernen Villen in Berlin bauen. So kann man es jedenfalls zugespitzt ausdrücken: Der Unternehmer Adolf Sommerfeld wollte ab 1922 eine Großsiedlung in Zehlendorf-Nord entwickeln. Um neue Schichten als Käufer zu gewinnen, bebaute er markante Ecken des großen Terrains mit auffallenden Häusern. So entstanden die vier flachgedeckten, kubischen Villen der „Landhaussiedlung Sommerfelds Aue“, die im Jahr 1923 errichtet wurden – und damit zeitgleich mit zwei Villen anderenorts in Berlin aus dem selben Büro, von denen ihr Architekt Erich Mendelsohn eine als „die erste moderne Villa in Berlin“ bezeichnet hatte. Die Häuser in Sommerfelds Aue stammten von dem jungen österreichischen Architekten Richard Neutra, der später in den USA berühmt werden sollte und der damals in Mendelsohns Büro angestellt war. Die Autorin weist nach, dass Neutra zwar unter Mendelsohns Einfluss stand, jedoch als Urheber der Entwürfe gelten kann.

Der Clou an „Sommerfelds Aue“ waren elektrisch betätigte Drehscheiben im Wohnzimmer, die aus der klassischen Anrichte ein bewegliches Raumsegment machten. Diese technische Innovation stammt vermutlich vom Bauunternehmer Sommerfeld selbst. Leider wurde sie kaum genutzt und schon bald wieder ausgebaut. Die Häuser im (damaligen) suburbanen Niemansland erwiesen sich am Markt als kaum verkäuflich, weswegen sie von leitenden Mitarbeitern von Sommerfelds Bauunternehmen erworben werden mussten. Rundherum entstand in den Jahren 1925 bis 1932 die berühmt gewordene Bruno-Taut-Siedlung „Onkel Toms Hütte“, die Sommerfelds Firma für die Wohnungsbaugesellschaft Gehag errichtete.

Und da sind wir auch schon bei dem Thema, mit dem Sommerfeld bekannt wurde: Der Unternehmer hatte, wie die Terraingesellschaften vor dem ersten Weltkrieg, ein großes Stück Land erworben. Allerdings parzellierte und entwickelte er es nicht – wie diese – selbst, sondern arbeitete mit der gemeinnützigen Gehag zusammen. Die Wohnungsnot nach dem ersten Weltkrieg und eine „linke“ Politik in Berlin ermöglichte ab 1924 den Bau gemeinnütziger Siedlungen. Das dafür erforderliche Subventionskapital wurde durch Abschöpfen einer „Hauszinssteuer“ bei den bestehenden Grundbesitzern eingesammelt – ein klassischer Fall von Umverteilung also, der die heute teilweise zum Unesco-Weltkulturerbe gehörenden Siedlungen der klassischen Moderne erst ermöglichte. Adolf Sommerfeld war dabei “ein Unternehmer, der als privatwirtschaftlicher Akteur in der Stadtentwicklung und im Wohnungsbau mit ähnlichen Zielsetzungen und Überzeugungen agierte wie [der sozialvisionäre Politiker Martin] Wagner selbst“.

Dieses Buch erzählt die Story der im bürgerlichen Bezirk Zehlendorf damals heftig angefeindeten Sozialsiedlung aus der Optik des Unternehmers Sommerfeld, was der Baugeschichte eine bisher nicht gekannte Facette gibt. Zum Beispiel die Geschichte, dass Sommerfeld die Verlängerung der U-Bahnlinie zur Erschließung der Siedlung selbst finanzierte und der Stadt schenkte… Sommerfeld hatte schon 1923 sein Privathaus von dem mit ihm befreundeten Architekten Walter Gropius bauen lassen, was dem Œuvre des Architekten einen der wenigen Bauten seiner kurzen expressionistischen Phase einbrachte.

Das zweite Projekt, das auf immer mit dem Namen Sommerfeld verbunden sein wird, ist die ab 1932 errichtete „Bürgerhaussiedlung“ in Kleinmachnow, deren spitzdachige Siedlungshäuschen den Charakter des Ortes bis heute entscheidend prägen. Sommerfeld musste 1933 unter Zurücklassung deines Vermögens emigrieren, kehrte aber nach dem Krieg unter dem in England angenommenen Namen Andrew Sommerfield nach Berlin zurück und beteiligte sich am Wiederaufbau, ohne an die Bedeutung seiner Tätigkeiten von vor dem Krieg anknüpfen zu können. Er starb 1964 in der Schweiz.

Auf dem Grundstück des kriegszerstörten Hauses Sommerfeld in Berlin-Lichterfelde entstand nach dem Krieg eine kleine Reihenhaussiedlung. Die bruchsteinerne Umfassungsmauer mit dem Haupttor blieb teilweise erhalten. Die Autorin wuchs in der Nähe auf und fragte sich als Kind immer, was hinter diesem Tor zu finden sei. Mit diesem umfassend recherchierten Buch hat sie sich selbst die Antwort gegeben: Diese Tor führte in die Welt des außergewöhnlichen Bauunternehmers Adolf Sommerfeld.

Celina Kress:
Adolf Sommerfeld | Andrew Sommerfield
Bauen für Berlin 1910-1970
Lukas Verlag, Berlin 2011
ISBN978-3-86732-081-8, 286 Seiten, 288 Abb., 39,80 €

Geschrieben von Benedikt Hotze

3. Februar 2013 um 13:42

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