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… und dann nischt wie raus zum Wannsee!

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„Pack die Badehose ein“ ist an einem trüben Februarsonntag vielleicht nicht der erste Rat, aber eine kleine Architektur-Tour in den Berliner Stadtteil Wannsee ist es dann doch geworden…

Schon bei der Anfahrt kommen wir an der Dreilinden-Schule vorbei. Der Architekt Otto Kuhlmann hatte 1936 im Wettbewerb unter anderem Egon Eiermann, Hermann Henselmann und Paul Baumgarten ausgestochen. Entwürfe, die der sachlichen Architekturtradition der 20er Jahre folgten, sind schon in der ersten Runde aussortiert worden. Die symmetrische Anlage mit Pfeilervorhalle folgt dem repräsentativen Stilwillen der NS-Zeit.

In der Dreilindenstraße 30 steht ein weitgehend unbekanntes Frühwerk von Ludwig Mies van der Rohe, Haus Eichstaedt von 1921/23. Mies hatte sich von seinen Landhäusern der Jahre 1906 bis 1925 wegen ihrer neoklassizistischen Tendenzen später teilweise distanziert. „In der Literatur werden diese Bauten mittlerweile als wichtige Werke […] und als Beleg für seine Beschäftigung Karl Friedrich Schinkels und Peter Behrens‘ neu bewertet“, sagt hingegen die Denkmaltopographie Nikolassee.

Schräg gegenüber, in der Lohengrinstr. 32, fällt ein weiß geschlämmtes Wohnhaus mit asymmetrischer Dachlandschaft auf. Ich habe es fotografiert, bevor ich es nachgeschlagen habe, und siehe da, es ist von Egon Eiermann (1935/36). „Die Häuser Eiermanns aus den 1930er Jahren vermitteln seine einzigartige Fähigkeit, aus den Gegebenheiten und Bauvorschriften der [NS-] Zeit eine gelungene Gestaltung in einer modernen Architektursprache zu entwickeln“ (Denkmaltopographie Nikolassee).

In der Lohengrinstr. 22 ist die Gartenanlage von 1925 denkmalgeschützt, entworfen von dem Pionier der modernen Landschaftsarchitektur Heinrich Friedrich Wiepking-Jürgensmann. Von der Straße aus erscheint der Garten eher unspektakulär, während das Haus mit seinem steilen Satteldach (1924/25) spontan gefällt. Es stammt von dem Architekten Otto Firle, der ähnlich wie Wiepking-Jürgensmann seine Karriere in der Nazizeit bruchlos fortsetzen konnte. Von Firle stammt einer der wuchtigen NS-Verwaltungsbauten am Fehrbelliner Platz.

Vom Stadtteil Nikolassee aus geht es nun wirklich nach Wannsee: Geprägt ist der Ortsteil durch den  Bahnhof mit seinem expressionistischen Empfangsgebäude (1927/28) des Reichsbahn-Architekten Richard Brademann.

Gegenüber des Bahnhofs thront ein Dreiklang von Villen des späten 19. Jahrhunderts mit den Adressen Am Sandwerder 1, 3 und 5, darunter das Haus Wild (links), 1875 von Ernst Petzholtz, das von Persius‘ italianisierenden Villen beeinflusst wurde.

Rechts im Bild das Haus Guthmann, 1884/85 von Kayser und von Groszheim, heute besser bekannt als Sitz des Literarischen Kolloquium Berlin.

Weiter im Verlauf der Straße Am Sandwerder erscheint bei der Hausnummer 12 das neoromanisch-gotisierende (mit Rundbögen und Treppengiebeln!) Pförtnerhaus des Hauses Ebeling (1891/92) von Erdmann & Spindler. Die eigentliche Villa liegt uneinsehbar dahinter…

Das Haus des Architekten Werner Klinski (1925-2009) ist inzwischen vielen Fernsehzuschauern bekannt, weil es offenbar nach dem Tode des Bauherrn gerne an Produktionsfirmen vermietet wird. Es steht am Fuße des ehemaligen Don-Bosco- Heims, dessen Hausarchitekt Klinski war. Das katholische Jugendwohnheim, das aus unspektakulären 50er-Jahre-Bauten bestand, ist inzwischen abgerissen und durch eine Wohnsiedlung ersetzt worden.

Dieses Haus tritt gefühlt in jedem zweiten deutschen Fernsehfilm auf, meist als Klinik, manchmal auch als Polizeipräsidium.

Es ist die ehemalige Lungenklinik Heckeshorn, die mit dem heutigen Krankenhaus dieses Namens an einem anderen Standort nicht zu verwechseln ist. Der bisherige Standort ist aufgegeben worden, die Nazi-Bauten von Eduard Jobst Siedler (1938/39) stehen weitgehend leer.

Für den Fernseh-Dreh so attraktiv ist, dass hier ein zeitgemäß ausgestattetes und gestaltetes Klinikgebäude leergefallen ist (1971-76 von Peter Poelzig u.a.; 1988-92 von  Feddersen, v. Herder & Partner).

Zum Schluss noch ein Kleinod von Hans Schaefers, das an die „Villa im Tessin“ der Faller-Bausätze für die Modelleisenbahn erinnert, der sich wiederum auf einen Entwurf der Brüder Guscetti stützt, der in Ambri im Tessin realisiert wurde.

Geschrieben von Benedikt Hotze

18. Februar 2018 um 23:40

Abgelegt in Architektur,Regionales

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