Das Fernsehexperiment „Dreileben“ ist an der Quotenhürde gescheitert, wie zuvor schon die ambitionierte Serie „Im Angesicht des Verbrechens“. Niederlage für anspruchsvolle Produktionen? Nur, wenn man die Quote überbewertet. Man sollte lieber einmal fragen, wie sie zustande kommt.
Piraten hängen oben
Schwere Wolken über Berlin. Dennoch hängen die Piraten oben. Eine kleine Bildbetrachtung zur kommenden Abgeordnetenhauswahl.
Priesterweg: Ein Bahnhof im Niemandsland
Der S-Bahnhof Priesterweg in Berlin-Schöneberg ist ein wunderschöner, moderner Backsteinbau von 1928. Seltsamerweise steht das repräsentative Empfangsgebäude im städtebaulichen Niemandsland: Rundherum sind nur Kleingärten. Warum?
Mit pädagogischem Effekt: Fahrradstreifen
Viele Berliner Bezirksverwaltungen machen es zur Zeit vor, aber auch anderenorts ist gerade viel Bewegung: Immer häufiger sieht man in deutschen Städten neue markierte Fahrradstreifen auf der Fahrbahn. Oftmals gehen sie zu Lasten des Autoverkehrs, denn vielfach wurden aus zwei ehemaligen Fahrspuren nur noch eine Spur plus Radstreifen. Was eindeutig als Maßnahme zur Förderung des Fahrradverkehrs zu erkennen ist, wird jedoch von einigen engagierten Fahrrad-Aktivisten abgelehnt. Doch sie übersehen den pädagogischen Effekt der Fahrrad-Piktogramme.
Hartmut Frank: Gesinnung lässt sich nicht an den Formen ablesen
Interview mit dem Hamburger Architekturtheoretiker Hartmut Frank
Draußen ein gleißend heller Wintertag, drinnen dunkel vertäfelte Wände und knarzende Dielen. Die Hafencity-Universität Hamburg verabschiedet ihren Architekturtheoretiker Hartmut Frank mit einem akademischen Symposium in der ehrwürdigen Hamburger Warburg-Bibliothek. Titel: „Die Sprachen der Steine“. Es treten auf: Jean-Louis Cohen mit Erinnerungen an eine französische Wohnbautagung in Grenoble 1973. Marco Pogacnik, der atemlos der Frage nachgeht, ob Adolf Loos überhaupt der Urheber des Loos-Hauses in Wien ist. Bruno Reichlin, der den „glühenden Faschisten“ Luigi Moretti vorstellt und dabei nicht weiter von Faschismus, sondern hauptsächlich von Musik und Barock spricht. Wolfgang Voigt, der an den Traditionalisten Paul Schmitthenner erinnert, und schließlich Hartmut Frank himself, der mit angenehmer Selbstdistanz sein akademisches Leben Revue passieren lässt. In der Nachschau fügen sich diese teils bizarren Splitter zu einem Ganzen: Wir haben hier soeben ein internationales Netzwerk von Forschern erlebt, die in den achtziger Jahren eine gemeinsame These aufbrachten. Sie ist inzwischen längst Allgemeingut und lautet etwa so: Es gibt keine faschistische Architektur. Oder allgemeiner: Die Form kann nicht die Gesinnung wiederspiegeln. Hartmut Frank erläutert das im Interview… Lies den Rest des Artikels »
Stiftung Warentest: Apple und Birnen
Kann man Konsumgüter durch die Vergabe von Schulnoten vergleichen? Lässt sich an Hand von Nachkommastellen ein objektives „Qualitätsurteil“ in die Welt setzen, von dem regelmäßig Millionen von Verbrauchern ihre Kaufentscheidung abhängig machen? Die unabhängige Stiftung Warentest versucht dies seit Jahrzehnten und mit besten Absichten. Bei Produkten wie Waschpulver erscheint ein solches Test-Ranking auch als unmittelbar plausibel. Doch bei komplexen technischen Geräten wie – beispielsweise – dem iPhone und seinen Konkurrenten stößt das Warentest-Verfahren an seine natürlichen Grenzen.
Lumen est Lumix: Digitalknipsen werden immer lichtstärker
Früher war ja alles besser. Auch beim Fotografieren. Was hat die olle Minolta-Spiegelreflex doch für tolle Urlaubsbilder gemacht! Und die kleine Minox 35 war doch wirklich ein knackscharfer Geheimtipp! Komischerweise benutzt aber keiner aus unserem Bekanntenkreis mehr derartiges analoges Fotogerät. Neben vielem anderen dürfte auch dessen schwache Performance bei geringem Licht einer der Gründe dafür sein.
Marillo und Mariechen: Über seltsame Vornamen
In meiner Generation haben die Leute meistens normale Vornamen, wenn man mal von speziellen Ost-Extravaganzen wie Ronny und Mandy absieht. Bei den älteren Semestern gibt es hingegen eine erstaunliche Tendenz, Menschen im Alltag mit abgekürzten und/oder verniedlichten Namen zu belegen. Lies den Rest des Artikels »
Großziethen: Was ist das denn?
Ein irrwitzig spitzzackiges Sichtbeton-Element mitten in der Landschaft, etwa zwischen dem südwestlichsten Zipfel von Berlin-Rudow und Großziethen, also in der Nähe des ehemaligen Mauerstreifens rund um Westberlin. Schnell wird klar, dass es sich dabei um ein Eisenbahn-Brückenbauwerk handeln muss; ein ehemaliger Bahndamm in der Nachbarschaft ist unverkennbar. Doch warum ist das Ding so geschmückt wie eine expressionistische Gartentorte?
Nachtrag 2/2023: Vielen Dank an die freundlichen Hinweisgeber in der Kommentarspalte. Inzwischen habe ich zum Güteraußenring (GAR) recherchiert und das Ergebnis hier aufgeschrieben – und fotografisch dokumentiert.
Métro in Lausanne
Es ist über 20 Jahre her. 1988/89 habe ich ein Jahr in Lausanne studiert. Die Uni lag damals wie heute auf einem Campus weitab der Stadt. Doch damals war sie quasi unerreichbar. Mit dem Auto parken durfte man dort nicht, eine Bahn gab es nicht, und mit dem Fahrrad musste man sich gegen die zum Teil extremen Steigungen im Stadtgebiet abkämpfen. Ein Besuch heute macht staunen: Lausanne hat ein funktionierendes Nahverkehrssystem bekommen – für die Bürger, nicht gegen sie wie bei Stuttgart 21.
Ein Sonntag in Kleinmachnow (2010)
„Was machst du gerade?“ fragen mich die Web-2.0-Communities – und erwarten, dass ich ihnen meinen Tagesablauf auf den Server lege. Ich mache das nicht so gerne. Vielmehr teile ich das Unbehagen, das Jens Arne Männig neulich so treffend mit „Social-Media-Müdigkeit“ beschrieben hatte. Und wenn ich meinen lieben Mitmenschen nun doch mitteilen möchte, was ich gerade mache? Dann tu ich das einfach hier. Heute ist von einem sonnigen Sonntagsausflug nach Kleinmachnow und Potsdam zu berichten, und es gibt ein paar Architektur-Bilder.
Panoramafreiheit – eine Anmerkung zu Google Street View
Dieses Haus des polnischen Avantgarde-Architekten Karol Schayer, erbaut 1936, habe ich am 15. August 2009 in Kattowitz fotografiert (siehe dazu die BauNetzWoche#144 „Kattowitz – Das Zentrum der polnischen Moderne“). Als ich mit meinem Fotoapparat unübersehbar vor dem Haus stand, kam eine gut gekleidete Bewohnerin in feindseliger Haltung auf mich zu und beschimpfte mich. Erst als sie in meiner Antwort das Wort „Architektur“ verstand, wurde sie schlagartig freundlich und ließ mich gewähren. Die Bewohnerin hatte also offenbar etwas dagegen, dass irgendein Hergelaufener ihr Haus fotografiert. Erst, als der Fotograf ihr einen plausiblen Grund für sein Tun nennen konnte, war sie beruhigt. Wir vermuten, dass diese Bewohnerin auch ihr Haus bei Google Street View verpixeln lässt – sofern sie in Polen die selben Einspruchs-Möglichkeiten genießt, die Google (gönnerhaft? notgedrungen?) deutschen Hausbewohnern einräumt.
Rauchfrei in Berlin – ein kleiner Presseskandal
„Forum Rauchfrei“ – das ist ein Verein der Nichtraucherlobby. Und der hat es gestern geschafft, eine Pressemitteilung ungeprüft in alle Berliner Lokalzeitungen von „taz“ bis „Morgenpost“ zu lancieren. Demnach – Alarm, Alarm! – soll selbst im gutbürgerlichen Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf jedes vierte Speiselokal den Nichtraucherschutz missachten. Wir machen uns gewiss nicht für Tabakqualm in der Gastronomie stark – aber beim Versuch, die Zählungen des Vereins vor Ort nachzuvollziehen, sind wir bei deutlich harmloseren Ergebnissen gelandet. Ist das Ganze also eher ein kleiner Presseskandal? Lies den Rest des Artikels »
Wie bei der Mafia
Heute steht in der Zeitung, dass „die Entsorgung alter Atomreaktoren und Kernforschungsanlagen den Bundeshaushalt in den nächsten Jahren weiter mit Millardenbeträgen belastet“. Wir hatten nichts anderes erwartet, und wir vermuten überdies, dass hierbei die Kosten der seit Jahrzehnten völlig ungeklärten Endlagerei des Atommülls noch nicht berücksichtigt sind.
Was einem dabei wieder hochkommt ist ein Kommentar des unfasslich naiv-wirtschaftsliberalen Wirtschaftsredakteurs der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung F.A.S., Rainer Hank, vom 18. Juli 2010 (‚Wie bei der Mafia“).
Le Paradis in Paris
Klar ist Paris teuer. Die üblichen Lokale an den großen Boulevards sind für normal verdienende Besucher eigentlich unbezahlbar – was nicht zuletzt an den hohen Getränkepreisen liegt. Wie kann man in hier dennoch preiswert essen? Wir haben ein kleines Restaurant in Montparnasse gefunden, in dem man mit rund 40 Euro auf der Rechnung zu zweit glücklich wird: dreigängig, mit Aperitiv und Wein – und in jedem Fall landestypisch.
Alter Schwede!
Das Esbjörn-Svensson-Trio fusioniert Jazz und Rock
Ein klassisches Jazz-Trio besteht aus Klavier, Bass (gezupftem Kontrabass, „Naturbass“) und Schlagzeug (gern mit Besen). Das klimpert und puckert dann so schön vor sich hin. In den gewagtesten Momenten gibt es mal ein Schlagzeug- oder Basssolo. Der swingende Klassiker ist das Oscar-Peterson-Trio. Mir gefällt das Keith-Jarrett-Trio. In den besten Momenten erzeugt es repetitive Musik, 25-minütige Improvisationen, nachzuhören auf teuren CD-Boxen. Nun ist mir ein neues, moderneres Konzept eines Jazz-Trios aufgefallen. Das Dramatische dabei: Der namensgebende Bandleader ist inzwischen bei einem Tauchunfall ums Leben gekommen. Es wird also keine neuen Platten des schwedischen Esbjörn-Svensson-Trios (E.S.T.) mehr geben. Grund genug, die vorhandenen Aufnahmen zu hören. Und dabei bleibt einem an einigen Stellen der Atem stehen.
Tschüss Rotkehlchen! Das Ende von Berliner Bürgerbräu
„Berliner Bürgerbräu“ gibt es nicht mehr. Jedenfalls nicht in der bisherigen Form. Alle Rezepte, Marken- und Vertriebsrechte sind mit Wirkung vom 1. März 2010 an die Radeberger-Gruppe übergegangen. Damit endet die Existenz der letzten unabhängigen industriellen Brauerei Berlins. Fortan kommen alle Berliner Biere, sofern sie nicht aus kleinen Erlebnis-, Gastronomie- und Micro-Breweries stammen, aus einer einzigen Bierraffinerie in Berlin-Hohenschönhausen. Kindl, Schultheiss, Berliner Pilsener und eben auch Bürgerbräu: alles aus einer Fabrik.
Theo, wir fahrn nach Wudsch!
Wussten Sie, dass der Ortsname Łódź auf Polnisch wie „Wudsch“ ausgesprochen wird? Eine Journalistenreise führte uns jetzt zu dem preisgekrönten Umbau einer Industrieruine in ein Vier-Sterne-Hotel – und in Polens drittgrößte Stadt, die einst als das „Manchester des Ostens“ galt.
Ist Google doch böse?
Dass man ein Unternehmen der IT-Branche nicht einfach so anrufen kann – daran haben wir uns gewöhnt. Ebenfalls an versteckte Rufnummern, teure Rufnummern, gar keine Rufnummern. Und an endlose Warteschleifen und Callcenter-Operatoren mit indischem Akzent. Wir hatten allerdings gehofft, dass das hochprofitable Marktführer-Unternehmen Google, das ja laut Eigen-Mantra „nicht böse” sein will, hier etwas mehr Service zu bieten hat als jeder x-beliebige Porno-Provider. Lies den Rest des Artikels »
Abbau Ost: Berghotel Falkenhorst im Erzgebirge
Zu berichten ist hier von einer Restitutionsimmobilie im Osten Deutschlands, bei der man alles richtig gemacht hat und die dennoch nach gerade mal vier Jahren Betrieb wieder aufgegeben werden musste.
Ende Dezember 2009. Wir fahren noch einmal an einen Ort, den wir in den letzten Jahren liebgewonnen haben. Auf den ersten Blick ist hier auch noch alles wie gewohnt: An den verschneiten Weggabelungen des – mit seinen düsteren Häusern unter dunklen Tannen immer etwas unheimlich wirkenden – Erzgebirgsdorfes Waldidylle finden sich nach wie vor die farbig gestalteten Hinweisschilder auf das „Berghotel Falkenhorst„. Spätexpressionistische Gemälde Dresdener Künstler aus den dreißiger Jahren zieren seit der Wiedereröffnung 2004 das Corporate Design dieses kleinen, feinen Hotels.
Die Auffahrt ist von Schnee geräumt, im Schaukasten hängt noch die Speisekarte. Allein: Die Vorhänge der Gaststube sind zugezogen, und das Hotel ist geschlossen. Für immer, sagen die Hamburger Eigentümer.
Rückblick: Im Herbst 2004 suchten wir eigentlich nur eine Unterkunft in einer halbwegs schneesicheren Region. Zum Rodeln. Über eine Internet-Recherche stießen wir auf ein soeben neu eröffnetes Hotel im Erzgebirge, das einen guten Eindruck machte: Sympathische Homepage, faire Preise – und ein verbindlicher, freundlicher Umgangston ohne Marketingfloskeln in der darauf folgenden Kommunikation. Vor allem aber: ein architektonisch interessanter Ort.
So wurden wir mit unserem ersten Aufenthalt Ende Dezember 2004 zu den ersten Stammgästen des Berghotels Falkenhorst in Waldidylle, einem Ortsteil von Altenberg im Erzgebirge. Knapp 40 Straßenkilometer hinter und 600 Höhenmeter über Dresden. Und tatsächlich schneesicher, jedenfalls bei allen unseren Besuchen.
Wir trafen ein markantes Haus an der höchsten Stelle des Ortes an, Baujahr 1938, architektonisch erkennbar seiner Entstehungszeit verpflichtet: Naturstein-Sockelgeschoss, Holzverkleidung in den Obergeschossen, spitzes Satteldach, im Inneren Kreissegmentbögen. Aber eben auch: eine helle, freundliche, schnörkellos-moderne Inneneinrichtung und Möblierung. Zwei „Damen von der Architekturfakultät der TU Dresden“, heißt es seitens des Betreibers, hätten den jüngsten Umbau geplant und die Inneneinrichtung betreut.
Das privatwirtschaftlich errichtete Hotel ist nach seiner Erbauung schnell zum Künstlertreffpunkt geworden. Zu DDR-Zeiten wurde es dann verstaatlicht und diente als Ferienheim. Nach der „Wende“ verfiel es. An die Hamburger Erben des Erbauers schließlich rücküberstattet, fühlten diese sich dem Ort verpflichtet und steckten viel Liebe (und Geld) in das Erbe. Nicht zuletzt schufen sie Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region. Gastronomisch wurde hier der richtige Kurs gewählt: die Küche ambitioniert, aber nicht überkandidelt, und das (über Jahre kaum fluktuierende) Personal von einer Herzlichkeit, die man nicht auf einer Hotelfachschule lernen kann.
Zwischen 2004 und 2008 waren wir hier fünf Mal „zwischen den Jahren“ für einige Tage zu Gast; es waren stets alle Zimmer ausgebucht und alle Tische in der Gaststube besetzt. Dass wir damit zu Zeugen einer saisonalen Auslastungsspitze geworden sind, war uns allerdings nicht klar. So kam das Anschreiben der Hamburger Eigentümer an alle Stammgäste Anfang 2009 völlig überraschend:
Trotz vieler positiver Rückmeldungen unserer Gäste haben wir es in fast 4 Jahren nicht geschafft, das Haus kostendeckend zu bewirtschaften. Der Hauptgrund liegt in der niedrigen Auslastung während der Woche. Schweren Herzens haben wir uns entschlossen, den Betrieb zum 22. Februar 2009 einzustellen.
Für den Falkenhorst wird jetzt nach einem anderen sinnvollen Nutzungskonzept gesucht. Über Anregungen und Vorschläge würden wir uns sehr freuen.
Eine Hotelnutzung, so die Eigentümer weiter, schlössen sie allerdings kategorisch aus. Doch irgend ein guter Geist in Waldidylle scheint die Hoffnung darauf nicht aufzugeben und hält das Haus in Schuss. Nirgends ist auch nur eine Spur von Vandalismus zu sehen. Man müsste einfach nur die Tür wieder aufschließen und weitermachen, erträumt sich der Gast. Er weiß: Dieser Wunsch wird unerfüllt bleiben.
Aber: Was wird denn nun aus dem Haus?
[Fotos: Benedikt Hotze, Dezember 2008]